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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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die wulstige Stirn. »Das Mädchen von Quarr hat amselbraunes Haar. Mehr Einzelheiten kann Thibault nicht benennen, da er es nicht für ratsam hielt, sich ihm zu zeigen. Aber er sagt, Euer Verdacht könne durchaus begründet sein.«
    »Wenn einer es wissen muss, dann er«, fauchte Cyprian. »Wer hat denn damals den Trupp geführt? Vor seinem Aufbruch habe ich ihn auf Herz und Nieren befragt, ob er für möglich hält, dass eines der Kinder überlebt hat. Er hat Stein und Bein geschworen, eher überlebe eine Schmeißfliege unter einer Stiefelsohle. Was bringt ihn jetzt dazu, sein Mäntelchen in einen neuen Wind zu hängen?«
    Der Kastellan verbog seinen Arm auf geradezu widerliche Weise, um sich auf dem Buckel zu kratzen. »Ich bin nicht sicher, Mylord«, bekannte er. »Der Anblick des Mädchens wohl. Er sagt, es besteht eine Art von Ähnlichkeit, die ins Auge springt.«
    Cyprian ließ sich Zeit, seine Antwort zu erwägen. Er sah dem Schimmel zu, der am Halfter des Stallknechts über den Hof schritt und gelangweilt mit dem Schweif schlug, und bemerkte dabei, wie die Empörung sich legte und einer kaum zu zügelnden Vorfreude wich. »Das ist so übel nicht«, sagte er zu Robert. »Im Gegenteil. Wenn wir es richtig anpacken, mag es nachgerade trefflich sein, auch wenn der Verräter von damals mit keinem Fetzen heiler Haut davonkommen wird. Weiß Thibault, warum Matthew das Mädchen bei sich hat? Sagt nicht, es gefällt ihm. Das wäre als Erklärung entschieden zu einfach.«
    »Es sieht auch nicht danach aus. Er hat noch die andere bei sich, das braune Tierchen, das sich mit Sicherheit als Hure verdingt.«
    »Matthew treibt es mit Huren?« Lauthals platzte Cyprian heraus, doch das Lachen klang nicht einmal in seinen Ohren echt. »Vielleicht wird aus dem Burschen ja doch noch irgendwann ein Mann. Aber was in drei Teufels Namen macht er mit dem Amselküken?«
    Wieder hob der Kastellan die verkrüppelte Schulter. »Wir nehmen an, Abt Randulph hat sie ihm anvertraut. Sie reitet ein Pferd aus dem Bestand der Abtei. In welcher Mission sie allerdings unterwegs ist …«
    Cyprian winkte ab. »Das ist doch offensichtlich, oder? Zisterzienser senden keine Frauen auf Missionen. Randulph will sie in Sicherheit bringen, weil er fürchtet, ich sei ihr auf der Spur.«
    »Das hält auch Thibault für denkbar«, erwiderte der Kastellan. »Aber mit Verlaub – welches Interesse kann der Abt daran haben, dieses Mädchen zu schützen? Soweit ich weiß, steht es um die Beziehungen zwischen der Burg von Carisbrooke und der Abtei von Quarr alles andere als zum Besten, was nicht zuletzt dem Schatzmeister der Gräfin zu verdanken ist.«
    Sie sahen einander an. Den Namen des Mannes sprach keiner von ihnen aus, und doch schien er zwischen ihnen in der Luft zu hängen. Der ewig gleiche Name. Adam de Stratton.
    »Ich weiß es so wenig wie Ihr«, sagte Cyprian. »Im Grunde kenne ich weder Randulph noch das, was ihn antreibt. Ich habe ihn nie gekannt.« Er blickte über den Sattelplatz hinweg zum Wald, der im fahlen Frühlingslicht geradezu leuchtete. Dort waren er und Randulph als Knaben auf die Jagd gegangen – mit ihren Schleudern, wenn sie nichts anderes hatten –, und immer war es Randulph gewesen, der die reichste Beute und den Triumph nach Hause trug. »Du wirst gut, mein Kleiner«, hatte Gregory zu ihm gesagt, in diesem weibischen Ton, in dem die Welschen mit Kindern sprachen. »Wart’s nur ab. Wenn du erst Waffen bekommst, wirst du richtig gut.«
    »Ist Euch nicht wohl, Mylord?«, fragte Robert.
    Cyprian fuhr zusammen. »Weshalb sollte mir nicht wohl sein?«, herrschte er den anderen an. »Um genau zu sein: Mir war selten wohler. Hört zu, ich will die ganze Familia nach Sonnenuntergang in der Halle haben. Thibault muss so schnell wie möglich mit einem Trupp nach Süden aufbrechen. Ich will das Mädchen, versteht sich. Und wenn es sich irgendwie machen lässt, will ich es lebend.«
    Der Kastellan nickte zweimal. »Mit Verlaub – und wenn es sich nicht machen lässt?«
    »Dann will ich es tot«, erwiderte Cyprian kalt. »Aber ich erwarte in diesem Fall, dass es weder einen schnellen noch einen leichten Tod gestorben ist. Die Ähnlichkeit springt ins Auge, sagt Ihr?«
    »So sagte es Thibault.«
    »Dann wird es keinem der Männer schwerfallen, sich an dem Mädchen schadlos zu halten. Sie sollen es als Teil ihres Lohns betrachten. Eine solche Ehre wird nicht jedem zuteil.« Dass es seinen finstersten Verdacht nähren würde, wenn das

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