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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Geparden gejagt. Hätten die Weicheier, die ihn umgaben, etwa darauf bestanden, eine Raubkatze wie ein Dämchen spazieren zu führen oder wie ein Wickelkind herumzutragen? War ihnen nicht klar, dass solch eine Behandlung die wilde Kreatur, die lieber starb als klein beigab, entwürdigte?
    Cyprian sprang vom Pferd. Den Gaul loswerden musste er ohnehin, wenn er in Ruhe mit Robert sprechen wollte, also sollte der Kerl ihn in drei Teufels Namen trockenführen. »Nun einmal der Reihe nach«, wies er Robert an und lehnte sich an die Stallwand. Schweiß lief ihm in Strömen den Rücken hinunter, doch er genoss das Gefühl, seinen Körper verausgabt zu haben. Musste man ihn vielleicht trockenführen? Brauchte er etwa einen Knecht, der ihm mit feuchten Schwämmen die Flanken betupfte? Er hatte sechzig Winter hinter sich, war in einem Alter, in dem andere im Bett vor sich hin dämmerten, aber ihm grub so schnell kein Jüngerer das Wasser ab.
    »Zuerst sollt Ihr wissen, dass Herr Matthew wohlauf ist«, sagte der Kastellan.
    »Soso.« Von der Freude, die er nach gängiger Erwartung hätte empfinden sollen, spürte Cyprian nichts. »Und weshalb hat er dann nicht das Geld seines Königs nach London geschafft, wie es ihm aufgetragen war? Was immer er sich sonst einbildet und was für Blamagen er uns eingebrockt hat – er ist zuvorderst ein Ritter meiner Familia, und als solcher hatte er einen Befehl zu befolgen. Was übrigens auch für Thibault und seine Leute gilt. Weshalb haben sie drei geschlagene Monate gebraucht, um einen so schlichten Auftrag auszuführen?«
    »Sie haben sich der Unterweisung gemäß verhalten«, verteidigte der Kastellan die Männer. »Sobald sie sich wieder auf dem Festland befanden, wurde das Wetter so übel, dass eine Weiterreise nicht ohne Verluste möglich gewesen wäre. Also haben sie ein Quartier bezogen und dort ausgeharrt, bis das Schlimmste vorüber war.«
    »Nun schön«, brummte Cyprian. Er musste eingestehen, dass Thibault richtig entschieden hatte. Ein Ritter war ein Vermögen wert, und der Verlust jedes Mannes hätte ein weiteres Loch in die ohnehin überbeanspruchte Kasse der Baronie gerissen. Dennoch wurde er den Stachel des Misstrauens nicht los.
    »Es hatte sein Gutes, dass sie gezwungen waren, an der Küste von Hampshire zu bleiben«, berichtete Robert eilfertig. »Denn dadurch haben sie in Erfahrung gebracht, dass Sir Matthew jetzt auf dem Weg nach London ist. Was ihn aufgehalten hat, bleibt fraglich. Herr Thibault nimmt jedoch an, dass es einen Zwischenfall gab, der ihn zwang, länger als geplant auf der Insel auszuharren.«
    »Was für einen Zwischenfall?« Cyprian spürte, wie sich zwischen seinen Brauen eine Falte bildete. Bis zum Mittag würde ihn ein Kopfschmerz quälen und ihm den Rest des Tages vergällen.
    »Wir müssen befürchten, dass er überfallen wurde.«
    In der Tat, das mussten sie. Und wer dahintersteckte, hätte der dümmste Narr des Landes erraten. »Was ist mit dem Geld?«, fragte er. Wenn Adam de Strattons Männer es geraubt hatten und man ihn verpflichtete, es zu ersetzen, konnte er genauso gut in seinen Taubenschlag gehen und sich mit seinem Gürtel ans Gebälk knüpfen.
    Der Kastellan zuckte mit der verkrümmten Schulter. »Herr Thibault nimmt an, dass Sir Matthew das Geld retten konnte, da er sonst kaum den Weg nach London angetreten hätte.«
    »Was soll das heißen, ›Thibault nimmt an‹? Wollt Ihr mir etwa erzählen, er hat nicht mit Matthew gesprochen?«
    »Er war nicht sicher, ob das in Eurem Sinne wäre«, erwiderte der Kastellan kleinlaut und senkte den Kopf, als wäre er selbst für die Entscheidung des Ritters verantwortlich.
    Cyprian hatte die Fäuste geballt und spürte den Jähzorn, der sich in seiner Kehle ballte. »Und was veranlasst den illustren Herrn Thibault zu derlei nebulösen Zweifeln?«
    »Das Mädchen«, antwortete Robert. »Jenes Mädchen, das seit elf Jahren auf Quarr versteckt gehalten wurde – Sir Matthew hat es bei sich, und Thibault wusste nicht, wie Ihr in der Sache zu verfahren wünscht.«
    Ein ungläubiges Zischen entfuhr Cyprian. Hatte er richtig gehört? In dem Fall hatte der selbstherrliche Thibault ihm allerdings einen prächtigen Dienst erwiesen. »Haben sie Euch das Mädchen beschrieben?«, fragte er den Kastellan. »Ich will alles hören, was Ihr mir über sie sagen könnt.«
    »Erinnert Ihr Euch daran, dass man die getöteten Geschwister das Amselpärchen von Carisbrooke nannte?«, fragte der Kastellan und rieb sich

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