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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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nicht helfen, Europa in ein wie auch immer geartetes Morgen zu führen.Mehr noch: Ihr Verhalten beschleunigte den Prozeß der Selbstzerfleischung. Sie war ein Sicherheitsrisiko. Er mußte sie loswerden.
    Er sagte: „Sie sind kein Teil des Teams mehr. Ich verlange nicht, daß Sie den Bunker verlassen – es wäre Ihr Tod. Es sind schon genug Menschen gestorben. Wenn es Ihnen beliebt, gehen Sie, aber ich setze Sie ausdrücklich nicht vor die Tür.“ Er tat einen Schritt auf sie zu. Seine Stimme war leise. „Wenn Sie bleiben, es aber nicht unterlassen, insurgierendes Gedankengut zu verbreiten und eine Revolte riskieren, dann, das schwöre ich, lasse ich Sie hinauswerfen.“
    Sie schwieg zwei Herzschläge lang. „Ich sagte, ich gehe freiwillig.“ Sie hatten ihren Triumph. Sie zeigte auf, daß sie für sich sprach. „Ihr Verhalten wird Ihnen noch Leid tun.“
    Er hieß die Wachen zu sich kommen. „Eskortiert sie in ihr Zimmer. Sorgt dafür, daß sie nicht zurückkommt.“ Zu Monterrey: „Die Welt ist voller Revanchegelüste. Ich wünschte, Sie richteten Ihre auf jene, die sie verdienen. Wie die verdammten Shumgona.“
    „Und Mthembi.“
    „Darauf wollen Sie also hinaus.“
    „Auf gar nichts will ich hinaus.“
    Bals, zu den Wachen: „Schafft sie weg.“
    „Ich bin noch nicht fertig damit,
Vize
“, rief sie ihm zu.
    Wie kleingeistig und rückständig ihr Denken ist. Sie hat die großen Zusammenhänge anscheinend nicht in dem Maß verinnerlicht, wie ich glaubte. Oder es ist der Schmerz. Sie stellt ihn über alles, ihre eigene verquere Sicht über die herrschenden Zustände. Es muß der Schmerz sein. Ich frage mich, was aus der welt- und sprachgewandten Präsidentenberaterin geworden ist, jener eloquenten und intelligenten jungen Frau, die Berg einst davon abgehalten hat, einen weiteren sinnlosen Krieg um Rohöl und Süßwasserreserven zu führen. Wo ist die Frau, von der Aron immer in den höchsten Tönen gesprochen hat, als jemand, der imstande wäre, das große Ganze ins Auge zu fassen. Ich frage mich wirklich, wo sie geblieben ist, diese Julie.
    Er fing einen letzten Blick auf.
    Gestorben, zusammen mit Aron.
    Und ihr Haß auf ihn, Bals?
    Sie nimmt es mir übel, Mthembi in den Bunker gelassen zu haben, statt ihn in seiner Zelle auf der Oberfläche zurückzulassen. Ich ahne es. Für sie ist der Zulu eine verachtenswerte Kreatur,gleichzusetzen mit den Drachen der Rostschädel, die draußen die Leute töten.
    Die Wachen führten Monterrey hinaus; Bals spielte das Mthembi-Thema durch.
    Keine Sympathien für ihn, aber die Intuition, er könne wichtig sein. Präsidentenmörder. Aber wirklich böse? Mit einem Plan? Welcher Plan?
    Er wußte es nicht. Er wußte, daß ihn alle anstarrten, daß sie herausfinden wollten, ob er als Sieger aus dem Ring gestiegen war. Er wußte es selbst nicht. Er führte nicht mehr, er befehligte. Es ging nicht anders. Das begriff er. Es schmeckte ihm selbst nicht. Aber alle sollten wissen, daß er diese Lektion gelernt hatte. „Alles hier hört auf mich.“ Seine feste Stimme paßte nicht zu dem schlechten Gefühl, was ihn bei dem Gedanken an das Risiko beschlich, das er einging, indem er vor Augen aller das bisherige Machtgefüge ad acta legte. Sein Amt allein gab diese Befehlsgewalt nicht her. Die Shumgona waren gelandet, Berg war getötet, Monterrey von ihm diskreditiert worden. Weder war diese Bredouille seine Schuld, noch war er alleine stark genug, den Laden zusammenzuhalten. Eine starke Regung seines Machtinstinktes übernahm die Kontrolle. Das lange Zeitalter der parlamentarischen Demokratie war hiermit vorbei; es herrschte wieder das Gesetz des Stärksten. Aber auch der stärkste brauchte Unterstützung. Das nackte Überleben war alles und Bals fest entschlossen, alles zu tun, um es für so viele Menschen wie möglich so lange es ging zu gewährleisten. Aber alleine käme er nicht weit. „Ich vertraue auf den Rat von euch allen, denn unser Ziel, lebendig und unversehrt den nächsten Tag zu überstehen und den Skulls dabei wenigstens etwas zuzusetzen, ihnen ein paar Knüppel zwischen die Beine zu werfen, ist das gleiche. Aber wer es nicht tut, mich nicht als rechtmäßigen Präsidenten akzeptiert, den bezichtige ich persönlich der Perfidie und Fahnenflucht. Dann hat er es nicht anders gewollt und fliegt hier im Handumdrehen raus.“
    Fahnenflucht, ein schweres Wort. Es heißt, die Seiten zu wechseln, also, den Shumgona zuzuarbeiten, was eins war mit Hochverrat. Bals hatte die

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