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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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Führungsebenen gelichtet, verliert das jeweilige Land seine verfassungsmäßige Regierungsgewalt und die Nation ihren Kopf.“
    Blaskowitz: „Sie wollen andeuten, es gäbe noch immer so etwas wie eine Staatsstruktur?“
    „Durchaus, ja. Niemand weiß, wie lange noch.“
    „Vorhin sagten Sie, der Mensch hätte heute die Herrschaft abgegeben.“
    „Joel, ich spreche von amtlichen und allgemein gültigen Gegebenheiten, nicht davon, wie es in meinem Kopf oder den Köpfen der Menschen da draußen aussieht, geschweige in ihren Herzen. Natürlich wären wir alle nichts als entmachtete Handlanger einer von den Shumgona kontrollierten Marionettenregierung.“
    Er warf die Arme hoch. „Daraus werde ich nicht schlau.“
    „Dann lassen Sie es.“
    Bals öffnete den Mund, um eine scharfe Replik auszusprechen, überlegte es sich einen Moment lang und ließ es. Viel schlimmer als Saintlucas Rohheit war die Einsicht, daß ihr Urteil bezüglich dessen, was die Shumgona im Schilde führen mochten, legitim sein könnte.
    Joel Andres sah die Sache weniger nüchtern. „Jetzt warten Sie einen Moment, Sharon, ich-“
    Blaskowitz griff ein. „Ich bitte Sie, diese Grabenkämpfe führen zu nichts.“
    Bals nickte ihm zu. „In Ordnung“, sagte er. „Sharon, Sie behaupten, die Shumgona wollten eine zwar militärisch besiegte, dennoch politisch intakte Union. Das erste verstehe ich, aber warum politisch intakt?“
    „Ganz einfach, Rufus. Wäre dem nicht so und alle Infrastruktur dem Erdboden gleichgemacht sowie sämtliche Mitglieder der Führungsriegen ausgeschaltet, müßten die Eroberer mühsam für Ruhe und Ordnung sorgen und ein eigenes Machtgefüge installieren. Das ist zeitintensiv und mit hohem logistischen Aufwand verbunden.“
    „Was macht Sie so sicher, daß die Shumgona wirklich so denken?“, fragte Bals.
    „Die Tatsache, daß sie unseren Planeten nicht einfach vom Weltraum aus per Knopfdruck in Millionen Stücke gesprengt haben.“
    Er mußte zugeben, das machte Sinn.
    „Sorgen unsere Gewalten dagegen für Ordnung“, fuhr Saintluca fort, „müssen die Skulls es nicht tun. Sehen Sie, von uns sind ausreichend viele getötet worden, daß wir den Gedanken an Widerstand aufgeben, gefügig sind und tun, was sie sagen. Wir sind eingeschüchtert, wie das Kaninchen vor der Schlange, stellen keinerlei Gefahr für sie dar. Geblieben aber sind die ranghohen Ansprechpartner, wie etwa Sie, Rufus, sowie politische und polizeiliche Instanzen und Direktionen, die sie anrufen können, wenn sie es möchten.“
    „Die anstatt der Shumgona für Ordnung sorgen können“, folgerte Andres. „Damit diese Kerle auch weiter ihren Spaß mit uns haben – und tun, weshalb sie gekommen sind.“
    „Richtig“, sagte Blaskowitz. „Das Ganze soll nicht bedeuten, daß sie nicht jedem etwaigen Widerstand mit äußerster Härte begegnen.“
    „So ähnlich“, sagte Saintluca achselzuckend. „Im Grunde ist all dies Politik aus dem letzten Jahrhundert. Wir denken an Kaiser und Könige, an Josef Stalin und Adolf Hitler. Immer setzen wir voraus, daß die Skulls sich wie eine Besatzungsmacht nach Vorbildern der menschlichen Geschichte verhalten. Wir denken, sie würden vorgehen wie jene Despoten, wie wir sie kennen, aber könnten darin natürlich auch irren. Ebensogut könnte es völlig anders laufen. Das sind verdammte
Außerirdische
.“ Sie stieß ein mutloses Seufzen aus. „Wir sind ihnen nicht ebenbürtig. Niemand kann sagen, was sie wirklich im Schilde führen.“
    Das stimmte. Die Menschheitsgeschichte hatte viele Tyrannen gesehen, Caligula, Attila, Ceausescu oder Mussolini. Aber so etwas wie die Invasion und Fremdherrschaft der Shumgona hatte sie noch nicht erlebt (zumindest war es im Kollektivgedächtnis der geschichtsschreibenden Völker nicht verzeichnet). Man orientierte sich an zurückliegenden Ereignissen, bemühte Altbekanntes, eben
Menschliches
. Militärhistoriker hatten Jahrhunderte damit verbracht, all die kleinen und großen Gewaltherrscher auszuforschen, aber mit so etwas wie einem Einfall Außerirdischer war das alles nicht vergleichbar. Es gab nichts, keine Empfehlungen, nichts Spezifisches, um mit dieser Krise umzugehen.
    Also nickte Bals. „Was wir hier besprechen, muß überhaupt nichts heißen.“
    „Aber Vieles spricht dafür“, sagte Andres. „Die Skulls verlassen sich meiner Meinung nach zu sehr darauf, daß wir ihnen etwas von der Arbeit abnehmen. Daher auch die niedrige Truppenkonzentration in den Hauptstädten.

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