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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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deren Sinn weiter unklar war.
    Als die Stimme des Captains erneut erklang, sprach aus ihr Herzklopfen. „Wir halten auf die Öffnung zu. Aber wir tun nichts dazu.“
    „Captain, was bedeutet das?“, fragte Bals.
    Es bedeutete, daß die Crew die Annährungssequenz eingeleitet, die Kursprogrammierung gelöscht und auf Handsteuerung geschaltet hatte, um dann die Kontrolle über den Shuttle zu verlieren. Daß sie nicht länger Herr der Lage waren.
    Die Pilotin sagte: „Sir, wir legen die Hände in den Schoß und genießen die Aussicht.“
    „Erklärung.“
    „Ein elektromagnetisches Wanderfeld, ein Fangstrahl. Ich weiß nicht, wie die es anstellen, aber man holt uns rein.“ Sie lachte rauh. „Das heißt, das An- und Abkopplungsmanöver entfällt.“ Eine kurze Pause, dann: „Höre ich da ein Aufatmen?“
    Jetzt war der aerodynamisch geformte Raumgleiter genau über dem Spalt – und schwebte hinein. Es war, als schluckte ihn ein Rachen. Starke Scheinwerferbatterien – insgesamt acht Halogenlampen zu je achthundert Watt – gleißten auf und warfen ihr Licht in die Finsternis. Dahinter lag das Innere eines Raumschiffes: mattes Metall und perforierte Streben, die aussahen wie Rippen.
    „Der Funkkontakt brach soeben ab“, meldete die Pilotin. „Aufnahmen direkt zur Erde zu senden können wir folglich abschreiben.“
    (Alle Helme waren mit einem Camcordersystem bestückt, um gefilmte Bilder unmittelbar zu übertragen.)
    Die gelben Flammen der Steuerraketen erloschen, und der Shuttle schwebte durch den Einlaßbereich. Die Crew kippte die Scheinwerfer. Die Lichtkegel wanderten an riesigen V-Trägern entlang.
    „Allmächtiger Christus...“, keuchte Alain. „Was für ein Bild.“
    „Sir, sehen Sie, dort.“
    Bals sah hin, doch erkannte nichts. „Was, Captain?“
    „Da vorn.“ Sie wandte die Suchscheinwerfer aufwärts. „Zwischen den Querstreben.“
    Jetzt sah er es. „Um Himmels willen...“
    Eiko starrte. „Was ist das?“
    Alain fehlten die Worte.
    Vor ihnen, aus dem Nichts, entstand ein trübes graues Licht. Es wirkte irgendwie ozeanisch und erfüllte bald den gesamten Hohlraum.
    „Es werde Licht“, sagte Alain.
    „Etwas an der Farbe ist seltsam“, sagte Bals, tief beeindruckt, doch niemand entgegnete etwas.
    Eine Plattform kam in Sicht. Das Kraftfeld, auf dem der Shuttle geruht hatte, löste sich auf. Die Crew reagierte schnell, fuhr das Fahrwerk aus. Die
Theseus
setzte butterweich auf.
    Die Blaukäppies schnallten sich los, legten ihre Ausrüstungsgürtel mit den daumengroßen Signalleuchten, dem Notfalldichtungsspray und Keramikmesser an, kontrollierten ein letztes Mal die Helmsicherungsklammern und Verschlüsse ihrer Hartschalenanzüge und marschierten zur Schleuse.
    „Die haben’s ja eilig“, sagte Alain.
    „Wie wir alle.“ Bals schnallte sich auch los und stand, weil seine Beine noch immer kalt und steif waren, wackelig auf. „Captain, wir kommen nach vorne.“
    „Aye, Sir.“
    Die Crew lag zurückgelehnt und halb unter Kontrollanzeigen und dünnen, agilen Steuersonden auf Beschleunigungsliegen. Alle trugen Fliegeroveralls und Sturzhelme. Der weibliche Group Captain lag links und betrachtete ein grünes Display; ihr Erster Offizier lag rechts von ihr.
    „Sir, Atmosphärencheck liegt vor“, meldete die Pilotin Bals. „Hoher Stickstoffhaushalt. Kaum Sauerstoff. Wir müßten auch dann Anzüge und Helme tragen, wenn die Luft atembar wäre, allein wegen der Temperatur.“
    Alain versuchte Mary-Doria Patrick anzusehen, ohne daß man es bemerkte. Natürlich kannte er diese Frau, deren tragische Vergangenheit. Jeder, der nicht als Eremit lebte, tat es. Patrick war der ranghöchste Unionsoffizier, der noch aktiv flog. Sie war groß, mit schwarzem, militärisch kurzem Haar. Ihre Art war lässigvergnügt, aber ihre blauen Augen zeigten etwas wie düsteren Frohsinn, ihr Auftreten ein überbordendes Selbstvertrauen mit schurkischen Elementen. Nicht daß sich Alain von irgendwem einschüchtern ließe ... aber ihre Aura war wirklich respektabel. Man merkte ihr an, daß sie über Disziplinbefugnis gebot. Alain hätte dennoch lieber Lucas Valkumey, Nils von Hardt oder auch Jeremy Woomera als Jockey gehabt. Jeden, aber nicht Patrick, eine Frau, deren Methoden so heikel waren wie ihre Motive. Erst kürzlich war sie aufgrund etlicher Skandale aus dem Astronautenkorps geschieden. Man munkelte, sie stünde kurz vor der unehrenhaften Entlassung aus den Luftstreitkräften, zudem, sie wäre eine Trinkerin

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