Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo

Vom Netzwerk:

setzen ihren Gang fort, und taten, als fürchteten sie, in einen Abgrund zu stürzen, tastend Schritt um Schritt. Dann war es LeBel, der aufschrie und zurücksprang, als er auf eine unsichtbare Barriere traf. „Cap, hierher!“
    Doria war schon bei ihm. „Irgendwas passiert, Jason?“
    „Ja, Ma’am, dort ... ist etwas.“ LeBel tastete mit dem Gewehrlauf erneut vor – und zuckte, als hätte ihn etwas gebissen, wieder zurück. „Jesus...“
    Doria, ihre Augen Schlitze, griff mit der rechten Hand aus. „Wie weit muß ich...“ Sie gewahrte ein elastisches Hindernis und verstärkte den Druck. Ihr Arm drang bis zum Ellenbogen in etwasWeiches ein – und verschwand. Wie LeBel zuvor fuhr Doria zurück; ihr Arm tauchte wieder auf. Er war völlig unversehrt und fühlte sich normal an.
    „Was war das...?“, sagte Eiko.
    Doria antwortete nicht, stand da, den Blick nach Innen gekehrt. Dann glättete sich ihre Stirn, und sie lächelte. „Es ist ein Durchgang“, verkündete sie und trat mit dem nächsten Atemzug vor. Ihr war, als zöge sich vor ihr ein Vorhang beiseite. Drüben herrschte Finsternis. Doria verharrte horchend, aktivierte dann ihren Scheinwerfer, dessen Licht sich in einem Tunnel verlief. Da bemerkte sie hinter sich eine Bewegung, fuhr herum und wäre fast gestürzt, als Eiko stolpernd in ihren Rücken lief und stürzte. „Vorsichtig.“
    „Schon gut.“ Eiko richtete sich auf. „Was sollte das? Bals ist ganz schön ungehalten.“ Ein Blick in den Tunnel ließ sie abbrechen. „O-ha.“ Sie leuchtete hinein. Glatte Wände soweit das Licht reichte. Sie sah weiter hin und erkannte, daß die Wandverkleidung so dünn war, daß sich die Charakteristik des darunterliegenden geologischen Typus im Lampenschein abmalte. Kurz blitzte eine Erinnerung an mexikanische Katakomben in ihr auf, die sie als Postgraduierte einmal besucht hatte.
    Doria sagte, halbwegs galant: „Unser Weg.“
    „Nur ein möglicher, wenn Sie mich fragen.“ Sie nickte zum Portal. „Was denken Sie, ein Hilfsmittel, um große Entfernungen schnell zu überbrücken?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    Bals, wie die Frauen zuvor, tauchte inmitten kleiner, sich kreisend erweiternder Tauchwellen auf. Er strauchelte, fing sich und ging etwas in den Tunnel hinein, stoppte dann und fuhr zu Doria herum. „Captain, seien Sie nicht zu wild auf Abenteuer.“
    „Tut mit Leid, Sir“, sagte Doria, doch ohne sonderlich bedauernd zu klingen.
    „Tun Sie so etwas nie wieder.“
    Alain kam, gefolgt von den Blaukappen. „So habe ich mir das Ganze nicht vorgestellt“, sagte er leise nach einer Phase des Staunens und verstimmt, weil Eiko Doria gefolgt war, ohne sich zu vergewissern, ob er selbst auch nachkam. Sein pochendes Herz beruhigte sich nur langsam. „Das verstehe ich nicht. Wozu lassen die uns hier herumirren?“ Er fühlte sich wie ein Bittsteller, wie ein dummes Kind, daß getestet wurde, ohne den Inhalt der Prüfung zu verstehen.
    „Ich verwette einen Courvoisier“, meinte Doria, „dieses Schiff ist unbemannt.“
    Alains Lichtstrahl fuhr sofort den Gang entlang. „Die Wette gilt.“
    Bals starrte in den Tunnel. „Definitiv, hier ist etwas Lebendiges. Hinter all dem steckt ein Wille, ich fühle es…“
    Doria verzog die Lippen. Sie fragte Alain leise: „Was hat er gesagt?“
    Ehe er antwortete, drehte Bals sich um. „Gehen wir.“
    In der Folge schlängelte sich der Schacht in scheinbar endlosen Windungen. Dieser Umstand hätte sie unbemerkt in jede Richtung führen können, aber ihre Visierdisplays markierten verläßlich ihre Position relativ zum Shuttle und den zurückgelegten Weg. Das Signal täuschte nicht; Triangulation bestimmte ihre Position. Bislang hatten sie, trotz aller Biegungen, mehr oder minder auf den Mondkern zugehalten.
    Doria stoppte abrupt und bedeutete allen, auch stehenzubleiben. „Wartet. Da vorn sehe ich ein Licht.“
    „Wo?“ Bals schaute angestrengt, erkannte aber nichts. Alles, was er sah, waren dumpfe Reflektionen ihrer eigenen Lampen.
    Nicht so Doria. „Ich täusche mich nicht. Es scheint direkt aus den Wänden zu kommen.“ Jetzt sah sie Bals an. „Ganz eindeutig, Sir, ich sehe ein schwaches Glänzen. Etwas reflektiert den Schein unserer Lampen. Sir, bitte darum, dem nachgehen zu dürfen.“
    „Erlaubnis erteilt.“
    Doria ließ die anderen ihre Lampen löschen, richtete ihre eigene auf einen fernen Punkt und schwenkte sie dann hin und her – und wirklich: ein Aufblitzen voraus. Irgendwo vor ihnen