Kairos (German Edition)
Dilemma entstehen. Doch glaubte Nazma es? Sie hatte stets alles Mitleid zurückgewiesen, besonders seines. Er lächelte düster bei dem Gedanken.
Neben Mitleid und Demut gab es für Nazma nur zwei Dinge, die sie mehr haßte: abrupte Veränderungen und das Militär. Sie haßte diesen Mond, alles, wofür er stand und stehen könnte, und, noch mehr, das Bild Coreys in Uniform.
Doch er hatte seine Entscheidung getroffen.
...
Leute ändern sich. Ich kann mich auch ändern...
...Das ist es ja. Du mit deinen hochtrabenden Träumen...
Das Fliegen war für ihn immer ein Traum. Corey hatte es nicht glauben können, als er Nachricht aus Lyon erhalten hatte. Nach Sichtung seiner Unterlagen (allgemeinmedizinische und zahnärztliche Formblätter sowie schulischer Werdegang plus Bewerbungsschreiben) zeigte man sich an ihm zumindest interessiert. Sein Computerwissenschaftsstudium war sicher von Vorteil, ebenso sein Nebenfach Physik. Er begriff die katalytische Welt, erfaßte Situationen schnell. Sein räumliches Denken war exzellent. Er war sportlich (Joggen, Fuß- und Punchball). Außerdem war er besonnen. Er wußte, daß er gut war. Aber nichts war erreicht. Er würde nach Frankreich gehen und den Lehrgang absolvieren. Und falls er bestehen würde, hieße das nur, daß er ein Flugschüler im ersten Ausbildungsjahr wäre, nicht automatisch, daß er es auch nur in die Nähe eines Düsenjets schaffen würde. Dieser Weg, wußte er, war Wenigen bestimmt.
Es regnete stärker; Corey ging schneller.
Nazmas Lebenstraum war es, Romanschriftstellerin zu sein. Sie studierte seit drei Jahren neben Neuer Europäischer Geschichte auch Politikwissenschaften und Englische Literatur. Sie las ein Buch pro Woche, liebte ziegelsteindicke Romane, vergötterte Dylan Thomas und traute ihrer Vorstellung einiges zu. Sie träumte von einem Roman über Pakistan, Makhdoom, ihren Dad, ihrer ganzen Vergangenheit. Corey sah es vor sich: Nazma, in einer Talkshow ihr neues Buch vorstellend; oder mit einem Sektcocktail in der Hand auf der Party eines Autorenfreundes. Doch leider, das war seine Meinung, folgte Nazma zu oft dem Ohmschen Gesetz, dem Weg des kleinsten Widerstandes. Es fehlte ihr nicht einmal an Talent, nur an Konsequenz.
Dieses Vielleicht-irgendwann...
Corey hingegen fand sich sehr konsequent. Zielloses Sehnen war nicht seine Sache. Insgeheim folgte er einem höheren Ziel als der Pilotenkarriere. Selbst Nazma gegenüber hatte er davon nie ein Wort gesagt.
Ich möchte weit fort reisen. Frei sein. Schauen, was es da draußen gibt. Ich könnte Millionen Jahre lang reisen ... Weg von allem.
Sein Traum war es, zu den Sternen zu fliegen. Erst die Aufnahme in die Pilotenschule, Pilot sein. Dann das Astronautenkorps; als Mitglied von Europas erster extrasolarer Mission das System verlassen...
Langsam. Kein zielloses Sehnen.
Das war noch ein langer Weg. Kampfpiloten bildeten die Elite der europäischen Luftwaffe. Nur ein Prozent der Kandidaten, die an den Eignungsprüfungen teilnahmen, würden es zum Piloten schaffen...
Corey mußte die Prüfungen bestehen, aufgenommen werden, die Grundausbildung bei den Streitkräften absolvieren, in der Luftwaffe dienen, auf der Militärhochschule studieren. Und dann, nach dieser ›Knüppelzeit‹, eventuell, würde sich für ihn das erste Flugtraining ergeben.
Der Rest war Spinnerei.
Er ging weiter. Der Regenschauer war vorbei. Wasser tropfte aus den Spitzen seines Haares und rann ihm über das Gesicht. Er dachte an große Piloten wie Ray ›Vanguard‹ McClauly, Cedric Rombout sowie Ramira ›Ram‹ Shatz, an berühmte Astronauten wie Giulia van Man, Stanley ›Buzz‹ Ridges oder Mary-Doria Patrick...
Er sah zum bleifarbenen Himmel hinauf. Dahinter, das wußte er, lag ein Weltraum mit all seinen Wundern und endlosen Weiten. Eine Wolke verschob sich, und Corey sah ein Stückchen Himmel. Es war blau, unverschämt blau. Er seufzte. „Hochtrabende Träume...“ Geflüstert.
Er ging weiter.
Zu Nazma.
15
Sie erwacht.
Quesehual öffnete die Augen. Er stand auf einer Anhöhe im Land seiner Ahnen, abseits der Langhäuser und Blockhütten, in einem Kreis aus gezwirbelten, langsam brennenden Lianen, die den Indianern als Nachtlampen dienten. Auf seinen Stab gestützt, betrachtete er versunken den Morgenhimmel.
Es beginnt.
Obwohl sich beide Männer ihm fast geräuschlos näherten, bemerkte er sie. Der Schamane senkte den Blick. „
Ay-yah…
“ Und hob ihn. „Also ist er da.“
Hinter ihm standen Anaki und
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