Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
Vom Netzwerk:
große, schimmernde Augen blickten Enriqu nach.
    Auch Anakis Augen füllten sich mit Tränen, aber anders als die Frau lächelte er. „Eines Tages wirst du heimkommen“, flüsterte er ihm nach, „und die Woge wird dich umfangen und trösten.“ Und laut: „Im Namen des Hohen Liedes, bei Rak´shasa, dem All-Einen, dies, Minéwa, war mein Sohn – und dein geliebter Mann.“

16
    Ihre Augen waren von durchdringendem, arktischem Blau, kalt und distanziert. Sie blickten starr hinauf. Eine Zeitlang geschah nichts. Niemand wagte zu sprechen.
    Bals schließlich brach den Bann. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte er. „Ihr ... irgendwie helfen?“
    „Sie braucht keine Hilfe“, sagte Alain und lächelte Bals unsicher zu. „Geben wir ihr einfach Zeit.“
    Eiko sagte: „Ja, lassen wir sie in Ruhe zu sich kommen.“
    Bals nickte und schwieg.
    Doria Patrick starrte die Fremde mit brennendem Blick an. Ihr Herz raste.
Himmel – Lauren, sie sieht aus wie du!
Aber natürlich war es nicht ihre Tochter. Wer immer sie auch sein mochte, sie lag noch immer reglos in dieser Schale aus Licht. Das Erwachen geschah peu à peu. Gefühl, Gehör; Erinnerung, Erkennen. Ihre Augen rollten in den Höhlen. Ihre Stirn furchte sich vor Konzentration. Dann schloß sie die Augen, öffnete sie wieder – und jetzt signalisierten sie eine erste Stufe sinnlicher Wahrnehmung, gar bewußten Denkens.
    Sie bewegte ihre Zehen und Finger, dann Füße und Beine. Es schien sie anzustrengen. Den Kopf drehend, stöhnte sie – ein bezaubernd menschlicher Laut. Sie verzog das Gesicht. Doria fragte sich, ob sie Schmerzen litt.
    Bals flüsterte heiser: „Jetzt.“
    Und die Frau setzte sich ruckartig auf. Ihr Oberkörper verließ das Lichtfeld. Sie war nackt.
    Alain wandte rasch den Blick ab. Doria musterte sie von oben bis unten. Bals schlug die Hände vors Gesicht.
    Eiko hätte fast gelacht. „Was denn?“, zischte sie. „Womit habt ihr gerechnet?“
    Sie wollte vortreten, doch Bals ergriff ihren Arm. „Lassen Sie’s“, sagte er. „Berühren Sie sie nicht. Sie haben recht; es ist egal, daß sie nackt ist.“
    Eiko verharrte eine Sekunde unschlüssig, dann nickte sie.
    Alle sahen sie an, jeder für sich. Der sechste Finger war augenfällig. Eiko fielen die Legenden des brasilianischen Ugha Mongulala-Stammes über sechsfingrige Götterwesen ein. Erkenntnisschauer durchfuhren sie.
    Sonst geschah nichts. Die Situation war bizarr: vor ihnen saß reglos und schweigend eine splitternackte Außerirdische mit dem vagen Aussehen einer Menschenfrau.
    Dann stand sie auf. Sie schwang die Beine von der Liege, richtete sich auf und drückte die Knie durch. Es war, als erhöbe sich jemand nach langer Zeit aus dem Krankenbett. Die Fremde atmete schwer. Sie sah zitternd und verwirrt an sich hinab. Es schien, als würde sie sich selbst nicht wiedererkennen. Vielleicht war es so.
    Doria keuchte. „Ich kann das nicht mit ansehen.“
    Sie hatte den Satz nicht beendet, als überall um die Fremde her kleine Windhosen auftauchten. Aus ihnen strömten Myriaden schillernde Partikel, die die Frau einhüllten. Diese schloß die Augen. Was immer diese Teilchen waren, sie verschwanden abrupt und restlos. Die Fremde sah wieder hin. Er wirkte wie Zauberei. Die Außerirdische trug jetzt ein Kleid. Es war knitterfrei, schillerte wie Perlmut und wies weder Reißverschluß noch Knöpfte auf, aber einen kragenlosen Halsausschnitt.
    Alain sagte: „Diese ... Dinger ... haben sie eingekleidet.“
    „Das sehen wir“, sagte Eiko genauso baff.
    Wackelig drehte die Fremde sich einmal um sich selbst. Ihr Kleid mit der seltsamen, knitterfreien Charakteristik verursachte leises Rascheln. Dann wandte sie sich den Menschen zu. In ihren Augen blitzte Rätselhaftes. Als sie sprach, bewegten sich ihren Lippen nicht. Alle vernahmen ein Klingeln. Dann war ihre glockenhelle und anziehend fremde Stimme überall.
    [Ich bin Galdea, Gesandte von Som. Identifiziert euch.]

17
    Nach einem Moment grenzenloser Verblüffung besann sich Bals und öffnete den Mund. „Ahem ... ich bin ... Vizepräsident Rufus Bals.“
    Galdea nickte gelassen. Ihr schien völlig gleich, wer da vor ihr stand. [Uns bleibt keine Zeit, Vizepräsident. Unheil droht. Wo ist euer Führer? Er muß meine Absichten kennen.]
    Schweigen.
    Galdea machte einen Schritt nach vorn. [Ihr seid in Gefahr. Ich bin hier, um euch zu helfen.]
    Alain überlegte, wie es sein konnte, daß ... Galdeas ... Stimme in ihren Köpfen war.
Telepathie
,
oder

Weitere Kostenlose Bücher