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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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Burns.
    Noch im selben Jahr hatte William versucht, zwei Dinge, die ihm wichtig waren, Joshua schmackhaft zu machen. Nummer eins war die Jagd, speziell das Fangjagen. William Swan war ein begeisterter Jäger und Sportschütze. Überall in seinem Haus hingen alte Gewehre mit kunstvollen Gravuren, antike Pistolen und ausgestopfte Jagdtrophäen von Hasen, Fasanen, Füchsen oder Murmeltieren. Joshua hatte es von Anfang an vor ihnen geschaudert, sein Großvater es aber als ›Stadtflausen‹ abgetan. Jedenfalls hatte William seinen Enkel insgesamt drei Mal in das von ihm gepachtete Jagdrevier südlich von Inverness mitgenommen. Er hoffte, der Junge würde auf den Geschmack kommen, irrte aber gewaltig.
    Stundenlang hatte sie auf einem Hochsitz oder hinter einem Jagdschirm ausgeharrt und gewartet, bis sich entweder das Rotwild bei der Äsung blicken ließ oder ein Kaninchen sich in dem über seinen Bau gespanntes Netz verfing. Einmal hatte William mit einem riesigen Gewehr samt Zielfernrohr – einem Drilling, wie er erklärte – einen Rehbock mit einem Blattschuß getroffen und danach mit einem Fangschuß getötet. Dann hatte William das Tier ausgeweidet. Niemals würde Joshua das viele Blut, vergessen, was in den Waldboden sickerte.
    Am nächsten Tag, nach einer Nacht voller Alpträume über Innereien und starre, tote Tieraugen, beschloß Joshua, die Jagd ein Leben lang zu hassen. Er sagte dies William auch. Der ging zuerst dagegen an, ließ es aber schließlich enttäuscht dabei bewenden und zog seitdem wieder alleine los.
    Die zweite Sache, die William Josh unbedingt näherbringen wollte, war die lokale Pfadfindergruppe. Das Stadtkind war skeptisch gewesen, aber versprach, der Sache eine Chance zu geben. Zu seiner Überraschung gefiel es ihm, und er blieb. Er bewältigte Waldmärsche, schlug Zelte auf, entfachte Feuer, um darüber auf geschnitzten Zweigen Marshmallows zu rösten. Er erlebte
Abenteuer
– aber, fragte er sich manchmal, durften Abenteuer überhaupt Spaß machen? Er hoffte inständig, ja.
    Joshua leistete also das feierliche Versprechen zur ›täglichen guten Tat‹ und sprach das ›Allzeit bereit!‹. Das war vor nicht einmal achtzehn Monaten gewesen. Inzwischen war Joshua zu einem erprobten Gruppenmitglied geworden. (Auf dem letzten Jamboree hatte ihm sein Rottenführer die Ehrenmedaille für Pflanzenbestimmung verliehen.) Und mit seinen elf Jahren würdeer nur noch für kurze Zeit ein Wölfling sein, ein
Cub
; übernächstes Jahr schon wäre er ein echter Pfadfinder, ein
Scout
.
    Den Duft nach Harz in der Nase, folgte Joshua dem Pfad, der sich jetzt senkte und auf eine blumenübersäte Lichtung führte, die er gedankenversunken überquerte. Große, einander überstürzende Veränderungen standen bevor, dessen war er sicher. Er und viele andere glaubten Bergs Worten nicht, die Som´ai Galdea wäre im Namen ihres Volkes auf die Erde gekommen war, um die Menschheit ›aufzurufen, ihre Konflikte endlich zu lösen und der kosmischen Gemeinschaft beizutreten‹. Er hatte etliche Onlinegruppen und Netzforen besucht, um etwas zu erfahren, doch User wie Communities wurden inzwischen allesamt von Schnüfflerprogrammen des ESB überwacht, was jeden offenen Dialog unterband. Einige Unentwegte von IFUCON, einer weltweit operierenden Ufo-Forschungsgruppe, jedoch gruben weiter, tiefer. Man wollte endlich wissen, was wirklich auf Deimos passiert war – was Berg, seine Hochkommissare und deren Regierungsbeamte verschwiegen.
    Wind wehte. Sommerliche Wärme. Gelbe Falter schwangen sich durch das Sonnenlicht. Spatzen und Stare pfiffen von den Wipfeln und scharten über den Waldboden. Joshua erreichte einen kleinen runden Platz zwischen den Sträuchern, in dessen Mitte eine abgestorbene, durch Fäulnis ausgehöhlte Lärche stand. Er ging in die Hocke und griff mit einer Hand in ein Loch im Stumpf und fand – gut verpackt – sein Schweizer Armeemesser, das Will ihm geschenkt hatte. Er rief Jack; dieser kam durch das Unterholz getrottet. Joshua strich ihm über den Rücken. Dann ging er weiter.
    Das Haus der Swans war wie die anderen Häuser der Gegend im Norden von Feldern und niedrigen, mit Steinmäuerchen eingefaßten Weiden und von allen anderen Seiten von dichten Wäldern umgeben, hinter denen sich in den letzten Jahren Gewerbebetriebe angesiedelt hatten. Westlich des Hauses der Swans fielen die bewaldeten Hügel zu Schluchten ab, auf deren Hängen in wenigen Fällen eine hiesige Landschaftsgärtnerei

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