Kaiser des Mars
verstand sein Handwerk. Es ist gar nicht so leicht, einen Skimmer in der Luft zu halten, selbst mit den riesigen, papierdünnen Folien, die ihm als Tragflächen dienen.
Vor uns rückten die hügeligen Ausläufer des Cimmerium näher. Eine dunkle, stumpfe, ziemlich gleichmäßige plateauähnliche Masse von bräunlichem Purpur, durchbrochen vom Schwarz der großen Schluchten, die es an tausend Stellen zerreißen. Eine Gegend wie das Mare Cimmerium ist vom Begriff her ein amüsanter Widerspruch. Die frühen Astronomen entdeckten die großen, dunklen Flächen, die die Oberfläche des Mars überzogen, hielten sie für Meere und gaben ihnen daher den entsprechenden lateinischen Namen. Der Widerspruch kommt später. Das war nämlich damals, als die ersten Expeditionen hier ankamen und feststellten, daß die größeren, helleren Flächen, die Staubländer, das waren, was zurückblieb, als die wirklichen Meere vor Millionen von Jahren verdunsteten, während die dunklen Stellen tatsächlich früher Kontinente waren, die beim Einschrumpfen der Planetenkruste von Schluchten zerrissen wurden.
Ich begann Keresny nach der Lage der sogenannten Schatzstadt zu befragen. Die alte Gedankenaufzeichnung, die er in Thoth-Nepenthes gefunden hatte, war da recht exakt gewesen. Die Wissenschaftler haben zwanzig Jahre damit verbracht, die eigenartigen geographischen Begriffe zu entziffern, die die Alten benutzten, und ein zwar primitives, aber immerhin funktionierendes System entwickelt. Die Position in der Gedankenaufzeichnung war 27’11 südlicher Breite, 140’37 östlicher Länge. Damit mußte die Stadt ziemlich tief im Mare Cimmerium liegen, etwa in der Mitte zwischen den beiden Staubländern von Hesperia und Eridania. Und das bedeutete, daß uns noch eine ziemlich lange Reise bevorstand, ehe wir das Ziel unserer Suche erreichten.
»Dann umfahren wir am besten das Cimmerium im Süden«, riet ich. »Das Plateau von Cimmerium zu überfliegen, ist ziemlich schwierig, und in größeren Höhen taugen Skimmer nicht sehr viel.«
»Das dauert aber eine Ewigkeit«, knurrte Bolgov.
»Ja, eine ziemlich lange Reise wird es schon«, räumte ich ein. »Aber ein altes Plateau wie das Cimmerium ist gefährlich. Es ist von Fumarolen überzogen, die eine kräftige Thermik erzeugen, von der Ihre Folien in Stücke gerissen werden könnten, und dann stürzen Sie ab. Unter den meisten Maria sind Blasen von natürlichem Gas, das unter kräftigem Druck in die Atmosphäre abgegeben wird. Über den flacheren Staubländern bleibt Ihnen dieses Problem erspart.«
»Was passiert dann, wenn wir unsere Länge erreichen?« wollte der Doktor wissen. »Wie können wir denn nach Norden ins Mare Cimmerium gelangen, wenn wir den Skimmer nicht einsetzen?«
Ich zuckte die Schultern. »Wir werden den Skimmer so nahe wie möglich am Fuß des Plateaus zurücklassen müssen und zu Fuß weiterziehen. Wenn wir Glück haben, finden wir eine Schlucht, die sich in nordsüdlicher Richtung ins Plateau hineinschneidet. Einige von ihnen sind so groß wie der Grand Canyon, andere sind sogar noch größer.«
»Glauben Sie, daß wir in die Schlucht hineinfliegen könnten?« fragte Ilsa. »Wenn sie so groß sind … ich meine, der Grand Canyon ist an manchen Stellen einige Meilen breit. Wir könnten doch trotz unserer Spannweite hineinfliegen, ohne die Flügel zu beschädigen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sehen Sie, das ist keine Frage einer Beschädigung der Flügel – der Folien, meine ich. Manche Schluchten sind von einer Klippenwand zur anderen dreißig Kilometer breit. Aber der Grund der Schluchten wimmelt von Fumarolen, und das Gas entweicht unter ungeheurem Druck aus winzigen Löchern. Aus diesem Grund sind die Schluchten noch gefährlicher als das Plateau selbst. Nein, wir werden schon zu Fuß gehen müssen. Sofern wir nicht auf das Volk stoßen und Slidars von ihnen bekommen. Aber das ist in so großer Nähe des Südpols unwahrscheinlich.«
Konstantin murrte darüber ein wenig und schimpfte, daß das Zeitverschwendung sei. Aber der Doktor setzte sich durch und erklärte, daß hier ich der Experte sei und daß man meinem Rat folgen würde.
Wir flogen bis zum Sonnenuntergang weiter. Die Atmosphäre des Mars ist zu dünn, als daß es dort herrliche Sonnenuntergänge gäbe – auch zu dünn, als daß das Licht nennenswert verharren könnte und es ein Zwielicht gäbe. Auf dem Mars bricht die Dunkelheit ganz plötzlich herein, wenn die Sonne untergeht – wie ein großer,
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