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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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aßen wir zu Mittag.
    Und dann schrie Ilsa!
    Sie war tiefer in die Rille eingedrungen und hatte sich etwas umgesehen, während wir die Rucksäcke herüberholten. Sie war zwischen zwei riesigen Felsbrocken von der Größe von Hügeln um eine Biegung gegangen.
    Der Schrei hallte in der dünnen Luft seltsam und ohne Echo. Ich sprang auf und rannte los, daß der kanariengelbe Staub hinter mir aufflog.
    Jetzt hatte ich die Biegung hinter mich gebracht und kam neben ihr zum Stehen.
    Sie stand ganz steif da, die Hände in Schulterhöhe. Ich sah das Ding sofort, das sie so erschreckt hatte. Es hätte die meisten Menschen erschreckt.
    Ein toter Mann hing mit dem Kopf nach unten an einem Holzbalken.
    Er hatte schon sehr lange Zeit dort gehangen – Jahre vielleicht. Man hatte einen primitiv gehämmerten Kupfernagel an den Knöcheln durch seine überkreuzten Füße getrieben. Das war alles; sonst zeigte der Körper keine Wunden. Sie hatten ihn an den Balken genagelt und dort hängengelassen, damit er langsam sterbe.
    Die trockene Marsluft hatte jeden Tropfen Feuchtigkeit aus seinem nackten Körper gesogen und ihn eingeschrumpft wie eine Mumie hinterlassen. Hinter mir fluchte Bolgov mit zitternder Stimme in Russisch. Neben mir hörte ich den schnellen Atem des Doktors.
    »Was ist das?« wimmerte das Mädchen.
    »Das … das scheint eine Kreuzigung zu sein, meine Liebe.«
    »Eine Markierung«, sagte ich. »Wir müssen in das Territorium eines Clans kommen.« Ich deutete auf die Überreste verwitterter blauer Farbe an der knochigen Brust des eingeschrumpelten Dings. »Das ist das Zeichen der Monddrachen-Nation. Der Tote ist eine Art Verbotsschild. Zutritt verboten.«
    Wir schauderten, obwohl es nicht kälter als gewöhnlich war.
    Wir gingen zu der Stelle zurück, wo wir unser Gepäck gelassen hatten, ruhten uns eine Weile aus und aßen. Dann zogen wir weiter, schlugen einen Bogen um den hölzernen Balken und seine schaurige Last, die Rille hinauf, bis die Welt mit dem Herannahen der Nacht dunkel wurde.
     

 
5. In das Meer der Finsternis
     
    Dieser Teil des Mars, das Mare Cimmerium, das Meer der Finsternis, wie die alten Astronomen der Erde es nannten, ist einer der wildesten, rauhesten, am wenigsten bekannten Landstriche des Planeten.
    Das, was wir gerade gesehen hatten, war ein Grenzzeichen gewesen.
    Der gekreuzigte Mann war ein Mitglied eines rivalisierenden, vielleicht auch nur eines fremden Clans gewesen.
    Ohne Erlaubnis hatte er die Grenzen der Monddrachen-Nation überschritten, und sie hatten ihn deshalb getötet.
    Und jetzt überschritten wir diese Grenzen.
    Es lohnte sich, darüber nachzudenken …
    Das Volk nennt dieses Plateau Chun. Die Reiter von Chun sind wilde Krieger, tödliche Feinde, treue Freunde. Die Niederen Clans begrüßen mich als Jamad Tengru. Sie haben gelobt, mir zu dienen. Wie aber stand es mit den Hohen Clans, wie den Reitern von Chun, den Kriegern, die unter dem Banner des Monddrachen kämpfen? Würden sie die eiserne Krone anerkennen? Würden sie das Gelöbnis respektieren?
     
    In jener Nacht fand ich keinen Schlaf; also gab ich nach einer Weile mein vergebliches Bemühen auf, zog meinen Thermoanzug und die Stiefel an, öffnete die Zeltklappe und trat hinaus in die kalte Wildheit der Sterne, um nachzudenken.
    Ilsa war da. Sie lehnte an einem Felsen, und ihr gelbes Haar war eine bleiche Flamme im Schein der Sterne.
    Ich wollte leise zu meinem Zelt zurückgehen und sie allein lassen; aber sie hörte meine Schritte, wandte sich um und sah mich. Also ging ich zu ihr.
    »Können Sie nicht schlafen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nehmen Sie eine Pille. Manchmal macht einen ein langer Fußmarsch so müde – selbst in dieser geringen Schwerkraft –, daß man ohne Pille nicht einschlafen kann. Unser Körper ist nicht für diese Welt gebaut …«
    »Das ist es nicht«, sagte sie etwas unsicher. »Ich brauche bloß etwas zu rauchen.«
    Ich lachte. »Nun, darüber müssen Sie hinwegkommen. Mit einer Atemmaske können Sie nicht rauchen und ohne Atemmaske nicht leben. Also müssen Sie wohl oder übel lernen, ohne Aromatiques auszukommen!«
    Ihr Gesicht war in dem strahlenden Sternenlicht eine kühle Maske. Sie war so schön, daß mir bei ihrem Anblick die Kehle trocken wurde. Keine Frau hatte mich mehr so empfinden lassen, seit Yakla … starb.
    Sie sagte nichts.
    »Sind Sie auch sicher, daß Sie bloß eine Aromatique brauchen? Oder ist es etwas anderes?«
    Sie zuckte niedergeschlagen die Schultern. »Ich

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