Kaiserkrieger 2: Der Verrat
vor seinem Aufbruch nach Sirmium so verstanden.«
Von Klasewitz räusperte sich.
»Wie dem auch sei, in dieser historischen Phase, in der sich das Römische Reich befindet, halte ich es für gefährlich, eine solche Politik zu verfolgen. Im Deutschen Reich, einem gefestigten Staatswesen, ausgezeichnet durch ein hohes Maß an Patriotismus und Vaterlandsliebe, und durchdrungen von allseitiger Loyalität gegenüber der vorzüglichen Persönlichkeit unseres Kaisers, kann und konnte man sich eine gewisse Toleranz in diesen Belangen erlauben. Und in der Tat wäre es ein Rückschritt gewesen, Katholiken und Protestanten, die auch an Bord der Saarbrücken in friedvoller Eintracht zu finden sind, gegeneinander ins Feld zu führen. Selbst den Juden darf man in einer solchen Situation ein gewisses Maß an Toleranz entgegen bringen.«
Von Klasewitz' Gesichtsausdruck zeigte recht deutlich, was er von dieser Art von Toleranz wirklich hielt. Dahms warf erneut einen Blick auf Joergensen, dem der Unterton des Adligen sichtlich nicht gefiel. Seine Verlobte, von ihm auf immer durch die Jahrhunderte getrennt, war Halbjüdin, und das war sicher auch einer der Gründe, warum der erforderliche kaiserliche Dispens zur Trauung bis kurz vor Auslaufen der Saarbrücken nicht erteilt worden war.
Niemand unterbrach den Ersten Offizier, der sich erkennbar in Fahrt geredet hatte. Joergensen sah trotzdem aus, als hätte er den Adligen am liebsten sofort erwürgt.
»Hier aber sind wir in einer anderen Epoche! Hier ist die Kirche noch nicht so gefestigt und in sich ruhend wie in unserer Zeit! Häresien und Apostasien sind allgegenwärtig und das Ringen um die wahre Lehre noch lange nicht zum Abschluss gekommen! Der Staat konnte sich damals keinesfalls aus dieser Sache heraushalten – und das zu Recht. Der Kaiser, den unser geehrter Kapitän zu verhindern trachtet, wird von der christlichen Geschichtsschreibung ›der Große‹ genannt, meine Herren! Er hat die Häresie des Arianismus, den Paganismus der alten Kulte, mit Feuer und Schwert aus dem Römischen Reich vertrieben, die Einheit der Kirche gewahrt und damit die Grundlage für unsere ehrwürdige, abendländische Tradition gelegt! Und all dies angeleitet von einem, der heute von Katholiken als Heiliger und Kirchenvater verehrt wird, Ambrosius von Mailand! Wer sind wir – wer ist Kapitän Rheinberg? –, dass wir uns dieser historisch unausweichlichen Entwicklung, dieser notwendigen Katharsis, dieser drängenden, reinigenden Flut an Ereignissen entgegenstellen wollen? Und was ist die Konsequenz, wenn wir exakt das tun? Wir haben es heute gemerkt. Priester haben versucht, mit Gewalt gegen uns vorzugehen und sie haben die rechtgläubige Bevölkerung Ravennas auf ihrer Seite! Schieres Glück hat uns vor dem Schlimmsten bewahrt! Das nächste Mal, so befürchte ich, werden wir nicht so unbehelligt davonkommen! Und dies offenbart die Brisanz dieses zentralen Fehlers in der Einschätzung Kapitän Rheinbergs!«
Von Klasewitz, das mussten selbst seine Kritiker einräumen, konnte recht überzeugend werden, wenn er sich erst warm geredet hatte. Die geröteten Wangen und das Blitzen in den Augen des Ersten Offiziers zeigten zudem, dass er von seinen Worten überzeugt war.
»Und so, meine Herren, ist unser Weg klar vorgezeichnet: Wir müssen in diesem historischen Konflikt nicht gegen, sondern mit dem Strom schwimmen und dessen Strömung geht ganz klar in eine Richtung: In die der trinitarischen Lehre, gegen Häresien wie den Arianismus und natürlich auch gegen alle anderen paganistischen Kulte, die vielleicht einst in der Vergangenheit relevant gewesen sein mögen, nun aber auf den Schrottplatz der Geschichte gehören.«
Der Erste Offizier hielt inne und sah sich um. Auf den Gesichtern vor ihm spiegelte sich eine bemerkenswerte Bandbreite an Emotionen ab. Einige Männer schienen durch seine Eloquenz nachdenklich geworden zu sein, einige wirkten zumindest momentan ergriffen, andere wieder teilnahmslos. Joergensen, Langenhagen und Dahms waren weitgehend entsetzt und ihre Blicke sprachen Bände. Von Klasewitz wollte ein Spiel mit dem Feuer beginnen, und er wollte einen Konflikt fördern, der nicht nur zu Bürgerkriegen führen konnte, sondern auch zu jener tief greifenden Schwächung des Römischen Reiches, vor der Rheinberg eindringlich gewarnt hatte.
»Was genau schlagen Sie vor?«, fragte nun Dahms.
»Danke, eine gute Frage«, erwiderte von Klasewitz wohlwollend. »Ich habe in der Tat bereits
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