Kaiserkrieger 2: Der Verrat
ihn zurückgeben sollten, wird er kaum wieder den Thron für sich beanspruchen können. Wir müssen etwas tun, damit er zumindest ein Treffen mit einem römischen Gesandten einigermaßen bei Verstand hinter sich bringen kann. Danach soll mir egal sein, was aus ihm wird.«
»Aber was haben die Römer vor? Sie ziehen die Reste ihrer Ostarmee bei Thessaloniki zusammen. Gut. Wollen sie uns damit angreifen?«
»Ich weiß es nicht. Aber es würde nicht passieren, wenn nicht irgendetwas im Gange wäre. Wir müssen doppelt aufmerksam sein und noch mehr Späher als bisher aussenden. Aber es ist klar, dass wir uns der Gefahr stellen müssen. Ich würde gerne auch die restlichen Truppen des Ostens vernichten, vor allem jetzt, wo noch keine neuen Rekrutierungen stattgefunden haben, um die Verluste auszugleichen. Gleichzeitig müssen wir versuchen, einen offiziellen Kontakt mit den Römern herzustellen.«
»Ob Gratian Truppen schicken wird?«
Fritigern winkte einigen vorbeireitenden Kämpfern zu, ehe er sich wieder dem jungen Mann zuwandte.
»Möglich, aber unwahrscheinlich. Wir hätten zwar einiges zu tun gegen Gratians Truppen, aber das Risiko ist für den kleinen Kaiser zu groß: Vernichten wir seine Truppen, freuen sich die Alemannen im Westen wie auch viele der anderen germanischen Stämme. Sie werden die Garnisonen überrennen in der Gewissheit, dass sich ihnen kein Bewegungsheer mehr entgegenstellen kann. Nein, Gratian ist viel zu sehr der Sohn seines Vaters, als dass er unkalkulierbare militärische Risiken eingehen würde. Er wird nach einer anderen Lösung suchen.«
»Ja – einen Feldherrn entsenden, ihm etwas Gold mitgeben, vielleicht ein paar gute Generäle und den Auftrag, uns auszuweichen und die Truppen wieder aufzubauen, ein Auftrag, der Jahre dauern kann. Aber dann würde er nicht anfangen, die Reste des östlichen Heeres direkt vor unserer Nase bereits jetzt zusammenzustellen. Er muss doch wissen, dass wir das mitbekommen. Das riecht nach einer Falle.«
Fritigern seufzte. »Das kann schon sein – aber was für eine Falle soll das sein, wenn er keine Männer dafür hat?«
»Ein geheimes Bündnis mit einem unserer Alliierten?«, mutmaßte Godegisel.
»Möglich. Aber auch unwahrscheinlich. Verräter könnten schnell zu den Verratenen werden. Das Risiko wäre für beide Seiten sehr hoch. Nein, ich halte es für einen Akt der Verzweiflung, irgendwelchen politischen Problemen geschuldet, die sich am Hofe Gratians aufbauen oder die Herren in Konstantinopel bedrücken. Etwas, was wir nicht wissen können.«
»Ihr wollt weiterhin Alarich nach Konstantinopel gehen lassen?«, wollte der junge Adlige nun wissen. Fritigern nickte sofort.
»Es ist eine hervorragende Idee. Der alte Mann ist hoch angesehen und er steht am Ende seines Lebens. Den Respekt, den er genießt, kann er ohne Hilfe nicht in reale politische Macht umsetzen, dafür braucht er mich. Aber er ist ein wunderbarer Botschafter und die Römer werden ihn mit Ehren empfangen, denn egal, was Gratian vorhat, er wird Verhandlungen nicht abgeneigt sein. Aber ich brauche immer noch einen römischen Gesandten, der Valens sieht und zumindest kurz mit ihm redet.«
»Valens ist verrückt«, entgegnete Godegisel kurz angebunden.
Fritigern antwortete nicht. Auf dem Karren, der gerade an seinem Standort vorbeirumpelte, saß vorne auf dem Kutschbock eine hochgewachsene junge Frau mit strohblonden Haaren, keine 20 Jahre alt. Ihre eher zerlumpte Kleidung konnte die ganz offensichtlichen Reize ihres Körpers nicht verbergen.
Fritigern runzelte nachdenklich die Stirn.
»Ich habe eine Idee, wie wir Valens möglicherweise aus seinem Wahn befreien können – zumindest für eine gewisse Zeit.«
Godegisel sah seinen Herren fragend an. Dieser wies auf den Karren und die Gestalt der jungen Frau, die sich langsam wieder von ihnen entfernte.
»Kennst du sie?«
»Nein.«
»Lerne sie kennen. Bring sie mir.«
»Richter, ich bin nicht Euer …«
»Nicht für mich, mein Sohn«, unterbrach Fritigern den Protest. Er lächelte jetzt versonnen.
»Nicht für mich, Godegisel. Sie ist ein Geschenk für den Kaiser.«
9
»Das geht schneller. Und noch schneller. Du da – der Baumstamm muss tiefer. Könnt Ihr denn gar nichts begreifen? Wollt Ihr, dass angreifende Barbaren einfach die Palisade umkippen und Euch massakrieren? Oder wollt Ihr, dass die verdammte Mauer den Feind abhält? Wir bauen hier kein Dorf, wir bauen ein Feldlager! He, du! Was soll das? Habe ich
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