Kaiserkrieger 2: Der Verrat
erinnerte sich kaum noch an den Abend, den er vor lauter Müdigkeit ohne die üblichen Grüblereien und mit nahezu automatischen Bewegungen verbrachte. Glücklicherweise musste der Trupp kein Lager streng nach Vorschrift errichten, da man sich weit vom Feindesland entfernt befand. Es genügte, die Zelte aufzubauen, einige Wachen aufzustellen – gnädigerweise teilte der Zenturio die Veteranen für die unangenehmste Wachzeit ab Mitternacht ein – und dann nach einem hastigen Mahl erschöpft in die Lagerstatt zu sinken. Volkert schlief sofort ein, kaum, dass er die Augen geschlossen hatte. Er hatte sich zeit seines Lebens noch nicht so erschöpft gefühlt.
Wenn dies des Zenturios Taktik gewesen war, so hatte sie funktioniert. Als am kommenden Morgen, kurz vor dem Morgengrauen, das Horn den Weckruf erschallen ließ, waren die Rekruten alle noch vollzählig anwesend. Das Frühstück, die Morgentoilette – auf die der Zenturio mit peinlicher Disziplin achtete – und der Abbruch des Lagers dauerten keine Stunde und schon befand man sich wieder auf der Landstraße. Erneut dankte Volkert dem Schicksal dafür, dass die Römer fanatische Straßenbauer gewesen waren, sonst wäre der Marsch noch um einiges unerträglicher geworden. Sie marschierten bisher auf der Via Flaminia und würden in Kürze Narnia erreichen, wo sich die Straße gabeln würde. Eine der Gabelungen würde sie weiter in Richtung Wien voranbringen. Volkert konnte auf seinem Marsch in den Genuss kommen, herausragende römische Bauwerke zu bewundern: Über den Fluss Nar führte die größte, jemals von Römern errichtete Brücke, die mit vier Rundbögen über das Wasser spannte. Und nach Narnia würde man den großen Tunnel durchschreiten, den Kaiser Vespasian damals erbauen ließ, um die Apenninen zu bewältigen, die berühmte Intercisa. Volkert ließ sich diese römischen Großtaten während des Marsches von Simodes in den schillerndsten Farben schildern. Der Grieche schien trotz seiner Herkunft große Bewunderung für die architektonischen Errungenschaften des Reiches zu haben. Volkert nahm sich vor, rechtschaffen beeindruckt zu sein, wenn es an der Zeit war.
Am zweiten Tag ließ der Zenturio weniger forsch voranschreiten und er genehmigte die eine oder andere zusätzliche Pause – vornehmlich, damit sich die Rekruten um ihre wunden Füße kümmern konnten. Als es dann spät wurde, waren die Männer etwas weniger erschöpft, aber nichtsdestotrotz müde und nur zu dankbar, sich hinlegen zu dürfen.
Volkert war sich sicher, dass der Unteroffizier das Tempo am kommenden Tag wieder anziehen würde. Sie hatten am ersten Tag gut 30 Kilometer geschafft und am zweiten vielleicht etwas mehr als 20. Wenn sie morgen wieder 30 anstrebten, würden sie gut vorankommen. Der Gesamtmarsch nach Noricum würde aber noch einige Wochen erfordern, wenngleich ein Teil der Reise auf Flussschiffen fortgesetzt werden konnte. Volkert freute sich auf diesen sicher geruhsameren Teil des Marsches und konnte es kaum abwarten.
Mit diesem Gedanken übermannte ihn der Schlaf.
14
»Also, Tennberg, wer ist mit uns?«
Als ob dieses »uns« eine magische Wirkung auf den Fähnrich haben würde, reckte sich der Oberkörper des jungen Mannes nach oben und ein Schimmer trat in seine Augen. Von Klasewitz erlaubte Tennberg, sich für einige Augenblicke im Glanze der eigenen Bedeutung zu sonnen, ehe er seine Frage mit leicht drängendem Unterton wiederholte.
»Nun, ich bin mir nicht sicher, Herr Korvettenkapitän. Einige der Offiziere werden sich möglicherweise neutral verhalten und sich in eine eventuelle Auseinandersetzung nicht einmischen. Bei den Mannschaften sehe ich, dass etwa 40 fest auf unserer Seite sind, dazu 4 Unteroffiziere. Wir können froh sein, dass Becker mit seinen Männern nicht mehr bei uns ist, das macht die Sache gleich viel einfacher.«
Der Adlige kam nicht umhin, Tennberg hier zuzustimmen. Mit Beckers Infanterie noch an Bord hätte er das Wagnis, das er nun plante, nicht eingehen wollen. So aber stellte sich Rheinbergs Hasardieren letztlich als Segen heraus. Mit etwas Glück würden sich die Goten und Beckers Männer gegenseitig aufreiben, womit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen worden wären.
»Das muss reichen, denn wir bekommen Unterstützung von außerhalb«, erwiderte von Klasewitz. »Ich habe mit Petronius gesprochen. Er hat nicht nur einige der Wachen Rennas in der Tasche, er wird auf diese Art und Weise auch einige Dutzend seiner
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