Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
Zeit nicht ausgleichen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann blieben ihnen nur die Bajonette, die bereits aufgepflanzt an den Mündungen der Gewehre befestigt waren. Für von Geeren war klar, dass er in diesem Augenblick den Rückzug befehlen würde. Im Nahkampf mit der Klinge waren seine Männer trotz aller Übungen einem erfahrenen Legionär weit unterlegen. Es würde zu einem schnellen und sehr einseitigen Gemetzel werden.
Ein Maschinengewehr bellte auf. Eine Reihe heranstürmender Legionäre lief wie gegen eine Wand und stürzte zu Boden.
Schnell und einseitig wie das hier.
Der Hauptmann blickte in Richtung der Stelle, wo er Rheinberg und die anderen Generale wusste. Keine neuen Flaggenzeichen, keine Trompetensignale, keine Melder – also keine neuen Befehle. Rheinberg hatte wohl andere Probleme.
Von Geeren war darüber nicht glücklich. Er vermisste plötzlich Jonas Becker. Die Last der Verantwortung drückte schwer auf seine Schultern.
Schüsse fielen. Getroffene schrien auf. Der Hauptmann sah eine Handgranate fliegen, sie landete zu kurz, detonierte ohne Schaden. Trotzdem fand sich von Geeren mit dem Gesicht im Dreck wieder.
Er zitterte.
Er hatte große Angst.
41
»Wir halten uns nicht nur gut, wir haben den Vorteil!«
Rheinberg nickte erfreut. Der Imperator hatte die Situation auf den Punkt gebracht. Malobaudes grunzte etwas. Er schien die Einschätzung seines Herrn zu teilen.
Gerade erst hatte Gratian den Befehl gegeben, die Gunst des Augenblicks zu nutzen. Die Schlacht wogte nun schon fast zwei Stunden. Die weitgehende Ausschaltung der Artillerie des abtrünnigen Freiherrn hatte vor allem eine sehr positive psychologische Wirkung auf die Truppen Gratians gehabt. Dass die deutschen Infanteristen nicht in dem Maße hatten Wirkung entfalten können wie erhofft, hing damit zusammen, dass Maximus viele Männer gegen ihre Stellungen warf, und obgleich er sie auch noch nicht überwunden hatte, so band er damit doch die Feuerkraft der Soldaten. Auch machte sich der Munitionsmangel bemerkbar. Rheinberg ahnte, dass dies die letzte große Schlacht war, in der er die Infanteristen so massiv einbinden konnte. Und er musste mit Dahms reden. Egal, was für Projekte der Ingenieur auch verfolgte, er musste unbedingt für Munitionsnachschub sorgen.
Gratians Befehl hatte gelautet, die Reserve, inklusive seiner eigenen, handverlesenen Leibgarde, in die Schlacht zu werfen. Es lag eine gewisse Ironie darin, dass ein guter Teil der Garde aus alanischen Reitern bestand, die nun gegen ihre Landsleute ritten. In einer anderen Zeit, in Rheinbergs Vergangenheit, hatten diese Reiter Gratian im Kampf gegen Maximus verraten. Jetzt aber wollte jeder auf der Seite des Gewinners sein, so war zumindest Rheinbergs Eindruck.
Die frischen Truppen, beflügelt von der Aussicht auf einen baldigen Triumph und dem Versprechen reichhaltiger Beute, setzten Maximus’ Armee mächtig unter Druck. Die Legionäre des Usurpators hielten sich tapfer und waren extrem diszipliniert. Aber es war klar, dass das Momentum jetzt aufseiten Gratians zu finden war. Wenn sie jetzt nicht nachließen, würden die Linien des Maximus in Bälde brechen. Und damit war, hoffentlich, auch dieser Albtraum des Aufstandes ein für alle Mal beendet.
Malobaudes beugte sich über die große Darstellung des Schlachtfeldes. Verschiedenfarbige Holzstücke symbolisierten die Einheiten beider Seiten, ihre Position ständig aktualisiert durch die Melder, die unermüdlich von der Front zurück zum Feldherrnzelt eilten. Der alte General sah nachdenklich drein.
»Maximus hat nicht mehr allzu viele Optionen«, sagte er dann.
»Er kann die Schlacht abbrechen und sein Heil in der Flucht suchen«, mutmaßte Arbogast, der ebenfalls zu ihrem Kriegsrat gehörte.
»Maximus ist nicht dumm. Er wird seine Männer nicht in einer sinnlosen Geste wegwerfen«, meinte Gratian. »Ich erwarte vielmehr, dass er einen Emissär entsenden wird, um Verhandlungen zu beginnen.«
Malobaudes sah hoch. »Was werden wir Maximus anbieten?«
Gratians Züge verhärteten sich. »Nichts für ihn und seine Offiziere, General. Er ist ein Verräter, ein Usurpator. Ich war gnädig mit ihm, obgleich ich wusste, was er in Rheinbergs Zeit getan hat. Doch er musste sogar noch schneller zuschlagen als geplant. Es gibt für ihn keine Gnade und keine Entschuldigung. Ich will ihm die Chance geben, sich selbst zu richten, mit seinem Schwert, ehrenvoll. Die gleiche Option sollen seine Generäle
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