Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
Durch die Lichtbrechung des Wassers sah er das verschwommene Bild seiner Hände, mit der aufgerauten Haut, leicht rötlich aufgrund der Wärme, sehnig und kräftig. Er spürte immer noch, wie der Griff der Pistole sich in seine Handfläche drückte, ein Muster auf seine Haut zeichnete und wie er verkrampft abdrückte, immer wieder, bis das Magazin leer war. Das Bild der sterbenden Soldaten vor seinen Augen, niedergestreckt durch seine treffsicheren Schüsse, blutig und in ihrem Ansinnen gescheitert, vermischte sich wieder und wieder mit dem des Gratian, dahingestreckt durch ein Schwert. Wie sicher musste sich der Imperator zuletzt gefühlt haben, wusste er doch, dass die Zukunft, die einst zu seinem frühen Ende geführt hatte, nun nicht mehr existierte – nur ausgetauscht, wie Rheinberg bitter dachte, durch ein viel früheres Datum. Hybris, das war es wohl, wessen er sich selbst bezichtigen musste. Die Annahme, dass er mit einer Handvoll Männer, einem Schiff und dem spärlichen Wissen über die Vergangenheit gegen alle Beharrungskräfte, ja einem Messias gleich den Lauf der Welt ändern konnte – und das auch noch so sehr, dass danach alles so viel besser sein würde, als er es kannte …
Die Bitterkeit überkam Rheinberg wieder, das plötzliche Bedürfnis, sich zu verkriechen. Er wusste, dass seine Depression sehr viel mit der bleiernen Müdigkeit zu tun hatte, die ihm umklammert hielt, aber selbst diese Rationalisierung half ihm nicht weiter. Es war ja nicht so, dass er morgen früh erwachen und die Welt dann schon ganz anders aussehen würde. Die Probleme marschierten im wortwörtlichen Sinne auf ihn zu. Die Tatsache, dass er sich jederzeit auf die Saarbrücken zurückziehen und mit ihr dem ganzen Durcheinander entfliehen konnte, hatte nur vorübergehend etwas Tröstliches. Er würde sich dann nicht mehr im Spiegel ansehen können, wenn er nicht versuchte, zu retten, was zu retten war. Und doch, trotz aller Kameraden und Freunde, die ihn dabei unterstützen würden, fühlte er sich seit dem Tode Jonas Beckers mit alledem sehr alleingelassen. Er ahnte, wie sich jemand wie Gratian hatte fühlen müssen, jung, unerfahren, umgeben von Menschen, von denen er nie ganz genau wusste, ob er ihnen trauen konnte oder nicht, ausgestattet mit einer Macht, deren Getriebener er mehr war als deren Gestalter. Ja, kam Rheinberg tief aufatmend zu dem Schluss, es war wohl dieses Gefühl des Getriebenseins, das besonders an ihm nagte, die schmerzhafte Erkenntnis, ein Spielball zu sein, wo er doch für eine Weile der Ansicht gewesen war, das Spiel zu beherrschen.
Bitter. Sehr bitter.
Ein Plätschern ertönte neben ihm. Rheinberg sah auf. Gebräunte Haut, ein schlankes Bein, das sich in das Wasser senkte, gefolgt von einem weiblichen Körper. Der junge Mann erblickte den durch Wasserdampf angefeuchteten Leib einer wunderschönen Frau, schlank, mit vollen Brüsten, einem breiten, einladenden Becken. Er erblickte ihr Gesicht und erkannte Aurelia. Aus irgendeinem Grunde war er nicht überrascht.
Die ehemalige Sklavin, die seit ihrer erneuten Begegnung in den Archiven des Palastes das eine oder andere Mal sein Gast beim Abendessen gewesen war, glitt neben ihm auf die heiße Steinbank. Er spürte ihre Hüfte an der seinen, weich und nachgiebig, und ihre Hand legte sich wie zufällig auf seinen Oberschenkel. Sie sagte kein Wort und auch er brachte keines hervor.
Für einige Minuten saßen sie nur so da. Rheinberg rührte sich nicht. Ob aus Müdigkeit oder Schüchternheit, er vermochte es nicht zu sagen. Er schaute Aurelia dann etwas vorsichtig von der Seite her an, überlegte sich, was es zu sagen gab, und erblickte in ihrem Gesicht so etwas wie eine Entschlossenheit, als ob eine wichtige Entscheidung gefällt worden war, die es nun in die Tat umzusetzen galt. Rheinbergs Blick fiel dann auf die dünne Lederscheide, die zwischen den Brüsten Aurelias lag, umgehängt am schlanken, langen Hals der Frau. Aus der Scheide ragte das Heft einer dünnen Klinge, eines Messers, wie es bei Attentaten häufig in Gebrauch war. Was auch immer für eine Hitze Rheinberg eben noch erfüllt hatte, sie wich tödlicher Kälte. Er starrte auf das Heft der Klinge. Aurelia folgte seinem Blick. Dann ergriff sie das Wort.
»Mir wurde einiges versprochen«, sagte sie.
»Was?«, fragte Rheinberg. Er wusste nicht, ob er auf die Brüste oder das Messer blicken sollte. Es war eine Kombination, die die Hitze in ihm wieder zurückkehren ließ. »Die Freiheit. Ein
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