Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
seine Qualitäten konzentrieren. Theodosius war kein Feind Gratians. Er würde die Ermordung durch einen Verräter nicht billigen. Maximus würde in ihm einen genauso erbitterten Gegner finden wie im Theodosius aus Rheinbergs Zeit.
Er holte tief Luft und sah die lange Kolonne der diszipliniert und hart ausschreitenden Legionäre entlang. Es war noch nicht alles verloren.
Es war nur alles viel, viel schwieriger geworden.
42
Es war ein wunderschönes Kind.
Es war alles so gekommen, wie die beiden Hebammen vorhergesagt hatten.
»Das erste Kind«, so hatten sie Julia erklärt, »braucht am längsten. Ab dem zweiten geht es schneller, dann weiß der Körper, worum es geht. Aber beim ersten benötigt Ihr Geduld, edle Julia.«
Nach den ersten acht Stunden in den Wehen hatte sich Julia alles andere als edel gefühlt. Am Ende der zweiten acht Stunden, als der neue Erdenmensch schließlich zum Vorschein gekommen war, hatte sie ihre eigenen Gefühle nicht mehr zum Ausdruck bringen können. Sie war völlig am Ende ihrer Kräfte gewesen und hatte nur noch willenlos getan, was ihr die Hebammen rieten, nur mit dem einen Ziel im Blick, dass diese gnadenlose Tortur endlich ein Ende haben möge.
Als man ihr das kreischende Bündel auf ihr ausdrückliches Geheiß hin in den Arm gelegt hatte, war sie völlig erschöpft gewesen, doch das anschließende Glücksgefühl ließ die Qualen, zumindest für den Moment, vergessen. Eine Hebamme hatte ihr fröhlich lächelnd versichert, dass das Baby vollständig und gesund sei. Zwar war die früher alltägliche Praxis, missgestaltete Kinder sofort nach der Geburt vor den Stadtmauern auszusetzen, bereits seit einiger Zeit offiziell verboten, aber vor allem ältere Geburtshelferinnen waren immer noch – oft unausgesprochen – der Auffassung, dass es für alle Beteiligten das Beste wäre, solche Kinder sofort dem Tod zu überantworten.
Die Frage stellte sich hier glücklicherweise nicht. Zur Vollständigkeitsprüfung hatte auch gehört, das Geschlecht des Kindes festzustellen. Hier begann das eigentliche Problem: Julia hatte Martinus Caius, dem angeblichen Vater, mehrfach ihre Überzeugung kundgetan, dass sie ihm einen Stammhalter, einen Sohn schenken würde. Das warme Bündel in ihrem Arm war jedoch eine wunderschöne, schnell an Nahrungsaufnahme interessierte Tochter gewesen. Jetzt, einige Tage nach der Geburt, mit einer etwas mehr erholten Julia, hatte sich auch der Ehemann der jungen Mutter dazu bequemt, einen Blick auf »seinen« Nachwuchs zu werfen. Als ihm eröffnet worden war, dass es sich um ein Mädchen handelte, war ein höchst ungnädiger Gesichtsausdruck sichtbar geworden.
Julia war es letztlich egal, was Caius dachte und von der Tochter hielt, die doch nicht die seine war. Sie wusste, dass Thomas kein unmittelbares Interesse an einem Sohn geäußert hatte. Sie wusste auch, dass Töchter zu ihren Vätern eine besondere Beziehung aufbauten, wenn diese sich nur hinreichend daran interessiert zeigten. Schließlich hatte sie die Gefühle einer solchen Bindung bei ihrem eigenen Vater jahrzehntelang erfolgreich manipulieren können. Über Thomas machte sich Julia daher keine weiteren Gedanken.
Martinus Caius, durchaus auch unter Druck der eigenen Familie, würde aber nicht lange warten, um Maßnahmen ergreifen zu wollen, den erwünschten Sprössling für die eigene Familie sicherzustellen. Auch das wäre Julia egal gewesen, wenn diese Maßnahmen nicht beinhaltet hätten, dass er ihr beiwohnte.
Bis jetzt konnte sie solche Avancen noch ablehnen. Dass ihre Mutter Lucia, die über ihre Enkelin wie eine Glucke wachte, und die beiden Hebammen ihr bei diesem Ansinnen zur Seite sprangen und – in Abwesenheit des Caius – lästerliche Kommentare über »notgeile Mannsbilder« und »mangelnde Rücksichtnahme grober Klötze« abgaben, hatte stark geholfen. Das gemeinsame weibliche Bollwerk gegen allzu frühe Begehrlichkeiten eines frustrierten Ehemannes hielt den bisher eher schwachen Annäherungsversuchen des Caius stand. Doch je mehr Tage sich in Wochen verwandelten, desto schwächer wurde die Verteidigungslinie.
Julia hatte daraufhin ihre Taktik geändert. Plötzlich waren ausreichende, ja großzügige Vorräte an Wein und deutschem Schnaps im Haus aufgetaucht und eifrige, ja fast schon drängende Sklaven hatten dem Hausherrn die alkoholischen Getränke nahezu hinterhergetragen. Caius, ohnehin alles andere als abgeneigt, ergab sich dem Trunk. Dies führte meist dazu,
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