Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
Auskommen. Etwas Land. Sklaven.«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich nun diese Klinge benutze, um dich zu töten.«
Rheinberg starrte ins Leere.
Aurelia war, daran bestand kein Zweifel, Bestandteil des Netzwerkes von Verrat und Intrige, das um Gratian und ihn selbst gewoben worden war. Sie war ein Geschenk Rennas gewesen. Gehörte der Militärpräfekt, der derzeit zusammen mit Richomer ihre zweite Verteidigungslinie organisierte, ebenfalls zu den Verschwörern?
Und warum erzählte sie ihm das alles?
»Du hast deine Chance gehabt. Ich habe nicht gehört, wie du das Bad betreten hast. Indessen hast du dich dagegen entschieden«, stellte er leise fest.
Aurelia griff hinter ihren Hals, löste das Band, an dem die Messerscheide hing, rollte sie um das lederne Etui und reichte es Rheinberg. Er griff automatisch danach, wog die leichte Klinge in der Hand, dann legte er sie beiläufig auf den Beckenrand.
»Ich habe darüber nachgedacht«, meinte sie.
»Warum? Es war ein klarer Auftrag. Ich war ein leichtes Ziel.«
Aurelia nickte. »Zu leicht.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Du hast mir bereits das meiste von dem gegeben, was mir versprochen worden ist. Die Freiheit. Etwas Gold.«
»Das war alles.«
»Ich habe eine gute Arbeit gefunden, schwierig genug für eine Freigelassene. Ich hätte vorher diese Chance niemals nutzen können.«
Rheinberg runzelte die Stirn. »Ich habe dich freigelassen. Du warst anfangs darüber gar nicht so glücklich.«
»Oh, ich war vielleicht etwas bequem. Und es wäre weitaus einfacher gewesen, dich zu töten, wäre ich deine Sklavin geblieben. Damals war das noch wichtig für mich.«
»Was ist jetzt wichtig für dich?«
Rheinberg wunderte sich, dass er diese Frage so ruhig stellen konnte. Er wurde von einem wilden Durcheinander an Gefühlen gebeutelt, das die politische und militärische Lage in den Hintergrund treten ließ. Ein solches Wechselbad an Emotionen, alles auf einmal, das konnte überwältigend sein. Er spürte das plötzliche Bedürfnis nach einem Schluck von Köhlers Weinbrand.
»Ich will das Richtige tun«, meinte Aurelia. Sie spielte mit dem Zeigefinger an den kurzen Haaren auf Rheinbergs Oberschenkel herum. Sie sah ihn aber nicht an, sondern musterte die Dampfschwaden des Bades.
»Du hast dich entschieden, mich nicht zu töten.«
»Ja.«
»Warum?«
Aurelia zögerte. »Das klingt jetzt dumm, Herr.«
»Nenne mich nicht mehr so. Du hattest es dir doch schon abgewöhnt.«
Die ehemalige Sklavin lächelte. »Es gab viele Gründe, dich zu töten. Einigen hast du die Grundlage entzogen. Andere sind nicht mehr so wichtig. Ich kann dir nicht gleichzeitig dankbar dafür sein, mir die Freiheit gegeben zu haben, und dich dann zur Belohnung umbringen. Ich bin keine Puppe in den Händen jener, die dir Übles wollen. Auch, wenn diese das gerne hätten.«
Rheinberg seufzte auf. Sollte er sich mit dieser Erklärung zufriedengeben?
»Du hast Probleme, mir zu glauben.«
Rheinberg nickte nur. Er war sehr müde.
Aurelias Hand wanderte etwas weiter nach links. Ihre suchenden Finger fanden ihr Ziel und zu seinem eigenen Erstaunen merkte Rheinberg, dass er doch nicht so erschöpft war, wie er dachte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, beugte er sich zu Aurelia hinüber. Seine Lippen fanden die ihren in einem sanften, fast zögerlichen Kuss, dem ein zweiter, nicht mehr ganz so zögerlicher folgte.
Seine Mutter, erinnerte sich Rheinberg zum ungünstigsten Zeitpunkt, als sich seine linke Handfläche um eine feuchtwarme Brust Aurelias schloss, hatte ihn vor solchen Mädchen immer gewarnt.
Er küsste Aurelia erneut, intensiv, lang anhaltend, fast atemlos.
Wer gab schon etwas auf die Warnungen einer Frau, die noch gar nicht geboren war?
Jan Rheinberg versank in der Wärme, die ihn gleich mehrfach umschloss.
Er beschloss, für den Augenblick keine weiteren Zweifel mehr zu haben.
44
Das militärische Hauptquartier in Ravenna war erfüllt von lebhafter Aktivität. Eine undiszipliniert wirkende Mischung aus Offizieren lief in den Räumlichkeiten umher, Befehle wurden gegeben, Meldungen weitergeleitet. Das Chaos wirkte unorganisiert. Mittendrin standen vier Männer, auf die alle Fäden zulaufen zu schienen. General Richomer, Militärpräfekt Renna, der von vielen als Thronprätendent angesehene Spanier Theodosius und Johann Dahms, der als offizieller Vertreter der Saarbrücken zugegen war. Auf einem Tisch neben ihnen lag ein Berg von Meldungen; zahlreiche Kundschafter
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