Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
Lucia trug ihre zahlreichen Pfunde mit aristokratischer Würde, litt darunter aber vor allem während der Sommermonate, was sie meist noch schlechter gelaunt stimmte, als sie ohnehin war.
Möglicherweise sollte sie das mit den Küchlein einer kritischen Prüfung unterziehen.
Lucia tätschelte ihr den Unterarm.
»Wenn du irgendwas benötigst, dann sag es nur. Du gehörst zwar jetzt zur Familie deines Mannes, aber unsere Bande sind stark und innig, und du kannst dich jederzeit an mich wenden.«
Julia verkniff sich einen Kommentar. »Wo ist Vater? Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
»Er hält sich viel bei Hofe in Trier auf«, meinte Lucia mit einer gewissen widerwilligen Anerkennung in der Stimme. »Er gehört zum engeren Beraterkreis des Kaisers. Ich habe gehört, er soll mit dem Posten eines Prokurators bedacht werden, wenn sich eine freie Position ergibt.«
Julia wusste nicht, ob das eine gute Nachricht war. Für Lucia war dies gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Aufstieg und noch mehr Reichtum. Auch ihr Vater wäre einer solchen Herausforderung sicher nicht abgeneigt. Aber so sehr Julia ihre Mutter auch ablehnte, so sehr liebte sie ihren Vater und würde es nur schwer ertragen, ihn auf Jahre nicht sehen zu können, vor allem, wenn er als Verwalter einer sehr weit entfernten Provinz eingesetzt werden würde.
»Wann wird er wieder in Ravenna sein?«, fragte Julia nach.
»Ich weiß es nicht. Aber man sagt, dass der Kaiser die Stadt der Zeitenwanderer besuchen möchte, um sich von den zahlreichen technischen Entwicklungen zu überzeugen. Sicherlich wird dein Vater ihn dann begleiten.«
»Sag mir bitte Bescheid, wenn du Genaueres weißt.«
»Aber natürlich, mein Täubchen.«
Es dauerte noch einige Minuten, dann verabschiedete sich ihre Mutter und Julia blieb allein. Im Regelfalle zog Julia diesen Zustand vor. Die Familie ihres Mannes war eine fast noch unerträglichere Gesellschaft als ihre eigene. Die Mutter des Caius, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, sich um die hochschwangere Schwiegertochter zu kümmern, war von derart verschüchterter und zurückgezogener Natur, dass Julia sie kaum zu Gesicht bekam. Und selbst wenn, so brachte die schmächtige Gestalt selten etwas hervor, von angenehmer Konversation ganz zu schweigen.
Julia trat auf den Balkon der prächtigen Stadtvilla. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf das hektische Treiben Ravennas. Die Stadt war durch die Ankunft der Zeitenwanderer mit einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung gesegnet worden. Einwanderer aus allen Teilen Roms wollten den seltsamen Fremden nahe sein, aus Neugierde wie auch aus Geschäftssinn. Ravenna war niemals eine arme Stadt gewesen, aber jetzt entwickelte sie sich zur reichsten im ganzen Imperium.
Das Kind trat sie, als wolle es die Mutter an etwas erinnern.
Julia seufzte leise. In letzter Zeit häuften sich dunkle Momente, die ihre Entschlossenheit und Zuversicht auf die Probe stellten. Volkert war weit entfernt und sie konnte sich nicht einmal sicher sein, dass er überhaupt noch am Leben war. Und man sagte, die Frauen des Ostens, vor allem die der Barbarenvölker, seien ganz besonders geschickt darin, einen in Liebesdingen eher naiven jungen Mann zu umgarnen und ihn die Heimat und die Familie vergessen zu lassen.
Nein, daran durfte sie gar nicht denken. Wenn sie das Vertrauen in ihren Thomas verlor, dann konnte sie sich gleich in das unglückliche Leben an der Seite eines unausstehlichen Ehemannes ergeben, wie so viele ihres Alters und ihres Standes.
Julia atmete tief ein. Sie durfte nicht in Trübsal versinken. Derzeit war sie auf sich allein gestellt, ohne Vertraute und ohne Freunde. Aber das würde sich ändern, wenn sie nur an die Bestimmung glaubte, die sie bisher mit Kraft erfüllt hatte.
Sie zögerte einen winzigen Moment.
Sie verließ den Balkon, rief nach ihrer Leibsklavin.
Das ungeborene Kind trat beherzt zu.
Es war höchste Zeit für einen Spaziergang.
24
»Der Kaiser inspiziert einige Kastelle nördlich von Trier. Er wird bald zurückkehren. Wir sollten ihn aber vorher darüber in Kenntnis setzen. Rheinberg muss es auch wissen.«
Langenhagen starrte aus dem Fenster. Das römische Glas hatte Fehler im Guss und zeigte Schlieren, aber er konnte vom obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes bis auf den Hafen schauen. Der graue Leib der Saarbrücken zeichnete sich im hellen Sonnenlicht scharf ab und der Offizier verspürte nicht zum ersten Mal die
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