Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
verwickelt zu sein, was den Sturz eines Kaisers zur Folge haben sollte, erfüllte ihn mit zutiefst zwiespältigen Gefühlen.
Seine Mitverschwörer hatten diese Zweifel nicht. In dieser Zeit war der gewaltsame Sturz des aktuellen Imperators »aus der Kaserne heraus« ein absolut normaler und üblicher Vorgang. Seit jener Zeit, als Maximinus Thrax als erster Soldatenkaiser den Weg für diese Art politischer Karriereplanung freigemacht hatte, wurde jeder militärische Karrierist von amtierenden Kaisern misstrauisch beäugt. Männer wie Sedacius mussten ihre Ambitionen sorgsam verbergen, weil sie sonst sehr schnell das Opfer von Gegenmaßnahmen sein würden.
Gegenmaßnahmen, die, wie Volkert wusste, nicht zuletzt von Rheinberg als Heermeister eingeleitet werden würden. Wenn er eines nicht wollte, dann, gegen seine deutschen Landsleute anzutreten. Es war ein Glück, dass auch Sedacius dies auf jeden Fall zu vermeiden trachtete. Der Waffeneinsatz der Infanteristen im Kampf um das Hunnenlager hatte ihm deutlich vor Augen geführt, was dort für ein militärisches Potenzial in nur einer Handvoll Männern lag.
Die Deutschen, so war sein Schluss, mussten folglich auf seiner Seite kämpfen.
Wie dies zu bewerkstelligen war, das wusste der Tribun wahrscheinlich auch nicht. Volkert fiel jedenfalls keine Erfolg versprechende Strategie ein.
Er stand auf dem Hof des Kastells und betrachtete, wie die Soldaten zur Vorbereitung ihres erneuten Abmarsches angetrieben wurden. Volkert und eine Gruppe von etwa 50 weiteren Verletzten würden nachfolgen, sobald sie wieder voll diensttauglich waren. Sie verblieben bis auf Weiteres mit einer Rumpfmannschaft im Kastell.
Zu denen, die nach Trier aufbrechen würden, gehörte auch die deutsche Infanterieabteilung. Die Männer packten ihre Sachen schweigsam zusammen. Sie waren auch nicht übermäßig erfreut darüber, gleich einer weiteren militärischen Auseinandersetzung mit höchst ungewissem Ausgang entgegenblicken zu müssen.
Volkert war etwas in Gedanken. Dass der Sanitätsgefreite zu ihm kam, bemerkte er erst, als der schon fast vor ihm stand. In den letzten Wochen hatte er seinen bösen Fauxpas nach der erlittenen Verletzung schon fast wieder vergessen, doch die plötzliche Gegenwart des jungen Mannes brachte die Erinnerung mit Wucht wieder in sein Bewusstsein. Unwillkürlich richtete er sich auf und spannte die Muskeln, als müsse er sich gegen jemanden verteidigen.
Der Gefreite Feldmann, dem die Strapazen der vergangenen Wochen noch deutlich anzusehen waren, sah müde aus. Er hatte durch seinen unermüdlichen Einsatz bis an und über die Erschöpfungsgrenze viele Leben gerettet – und für genauso viele nichts mehr tun können. Dies war offenbar sein erster Kriegseinsatz gewesen, und obwohl er sich mit mustergültiger Disziplin aufrecht gehalten hatte, war ihm anzumerken, wie das Leid und der Schmerz sich auf ihn ausgewirkt hatten. Es war jetzt ganz sicher ein anderer Mann als der, der von hier aufgebrochen war, stiller, mehr in sich gekehrt, nachdenklich. Für die Ärzte der Legion, soweit man den Männern diese Bezeichnung überhaupt zubilligen wollte, war Feldmann so etwas wie ein Idol geworden, und das, obgleich er weitaus jünger als die meisten von ihnen war. Neumanns medizinische Schule hatte in so kurzer Zeit noch nicht genug Fortbildungskurse für Mediziner anbieten können, dass die Wirkung überall im Reich spürbar geworden wäre. Das würde noch Jahre erfordern. Feldmanns Ausrüstung und sein Verständnis für die Behandlung von Wunden, seine Bemühungen, auf Sauberkeit zu achten, wo es nur möglich war, all dies war teils kritisch, teils auch mit Respekt angenommen worden. Als allerdings einige Verwundete, die sonst als hoffnungslose Fälle von ihrem Leid erlöst worden wären, dann wieder gesundet waren – nicht zuletzt ein gewisser Dekurio mit einem Schwert in der Brust –, waren die Kritiker allmählich verstummt. Die Intelligenteren unter den Feldscheren waren zu dem Schluss gekommen, dass es möglich war, hier etwas zu lernen. Und seitdem hatten sie Feldmann bei seiner Arbeit nicht mehr aus den Augen gelassen und assistierten ihm, wo sie nur konnten.
Die Zeit war nun vorbei. Der Gefreite würde mit den Infanteristen nach Ravenna ziehen und dort zurück in die Kompanie eingegliedert werden, soweit diese dann noch existieren würde.
Volkert sah den Mann erwartungsvoll an. Wenn er etwas sagen wollte, würde er ihn nicht unnötig ermuntern.
Feldmann räusperte
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