Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
er einen Moment stehen und atmete tief durch. Er wusste gar nicht, was in ihn gefahren war, dass er mit einem letztlich Fremden eine solche Diskussion geführt hatte. Wahrscheinlich war es ihm ein Bedürfnis gewesen, selbst Klarheit über die eigene Position zu erlangen. Jetzt fühlte er sich besser, da ihm bewusst war, dass sein Schicksal mit dem der Zeitenwanderer verknüpft war. Welche Zukunft auch immer vor ihm lag, es schien deutlich zu sein, dass Gott ihm eine Rolle zugewiesen hatte, die er vielleicht noch nicht vollständig verstand, deren Aufgabe aber noch nicht erfüllt war.
Dass da in Gallien eine Frau war, die wahrscheinlich schon nicht mehr an ihn dachte, war alles, was ihm noch an Schmerz blieb.
36
»Nun?«
In dieser simplen Frage steckte alles, worum es hier ging. Rheinberg drängte von Geeren nicht, der regungslos neben ihm stand. Es war früh am Morgen, die Sonne gerade aufgegangen, empfindlich kühl für einen Sommertag. Der Tau lag auf dem Gras und man fühlte einen großen Frieden – wenn man nicht wie Hauptmann von Geeren damit beschäftigt war, durch einen Feldstecher die Schlachtformation eines gegnerischen Heeres zu betrachten.
Eines musste man Maximus lassen: Er hatte nicht lange herumlaviert. Keine Botschafter mit gedrechselten Drohungen oder Vorschlägen, kein Ausweichen, keine Verzögerungen. Als klar war, dass sich das kaiserliche Heer ausreichend genähert hatte, waren an diesem frühen Morgen auch die Männer des Usurpators aufmarschiert und boten Gratian die Schlacht an. Es war ersichtlich, dass auch Maximus eine Entscheidung wollte. Rheinberg war das recht, wie es ihm gleichzeitig auch unheimlich war: Dieses forsche Vorgehen zeugte von Selbstbewusstsein, und das, obgleich Maximus mit von Klasewitz jemand zur Seite stand, der gut erklären konnte, was die deutsche Infanterie auf dem Schlachtfeld würde ausrichten können.
Es war Selbstbewusstsein oder bewusste Ignoranz.
Oder ein Bluff.
Die Situation machte Rheinberg deutlich, dass er nicht zum Feldherrn geboren war. Ja, auch als Führer eines Kriegsschiffes spielte man das Hin und Her aus Vermutungen und Gewissheiten über die Absichten des Feindes, kalkulierte und analysierte, ging Risiken ein oder vermied sie, oft auf der Basis einer unzureichenden Information. Aber es war so etwas ganz anderes, ein Schiff zu führen als eine vieltausendköpfige Armee. Und auf See gab es Wind, Wellen, vielleicht einmal Nebel, aber das war es dann auch schon. Hier präsentierte sich ihm ein Schlachtfeld, das relativ eben war, auf dem es aber Gehöfte gab, kleine Baumgruppen, den einen oder anderen Hügel, Gräben, Bäche, höheres und niedrigeres Gras, Büsche – es war …
… es war einfach unübersichtlich.
Rheinberg konnte noch sehr viel von Arbogast und Malobaudes lernen. Die beiden Generäle hatten schnell damit begonnen, das zu tun, wozu Rheinberg sich nicht in der Lage sah: Sie lasen das Gelände, sie dachten über die richtige Schlachtformation nach, sie versuchten, sich ein Bild über die Stärken und Schwächen der diversen Truppenteile zu verschaffen. Rheinberg war da stummer Zuhörer. Selbst Gratian hatte zu dieser Diskussion mehr beizutragen als er selbst. Seit seiner Ernennung zum Heermeister hatte sich der junge deutsche Offizier nicht mehr so hilflos gefühlt.
Es gab dann doch einige Dinge, bei denen er und von Geeren die Experten waren. Und genau damit befassten sie sich in diesem Augenblick.
Der Infanterieoffizier senkte den Feldstecher.
»Wie wir vermutet haben, Jan. Bronzekanonen.«
Rheinberg nickte. In so kurzer Zeit hatte von Klasewitz – auch noch auf der Basis einer schlechteren industriellen Grundlage – nur den einfachsten Weg der Geschützproduktion gehen können. Eisen war für Kanonen, wenn sie schon nicht aus Stahl bestanden, weniger gut geeignet als Bronze, da letzteres Material elastischer war und nicht so schnell Risse bekam. Dafür war die Bronzekanone an Reichweite und Durchschlagskraft unterlegen.
»Wie viele?«
»Viele. Ich habe sie nicht alle gesehen, glaube ich, aber es sind über ein Dutzend. Mehr als 20. 30 vielleicht.«
»Unser Freiherr war fleißig.«
»Er versteht sein Handwerk, das muss man ihm lassen.«
»Gezogener Lauf?«
»Ich denke nicht.«
»Das begrenzt Reichweite und Zielsicherheit.«
»Es sind große Kaliber, und wenn sie Schrot verschießen, ist Zielsicherheit nicht das Problem. Dann müssen sie einfach nur reinhalten, danebenfeuern können sie
Weitere Kostenlose Bücher