Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
Es ist mir bisher nicht gelungen, mit jemandem an höherer Stelle dort in Kontakt zu treten. Die Kameraden, die uns nach Osten begleitet haben, sind bei Gratian. Ich bin in die Verteidigungsvorbereitungen der Stadt selbst nicht eingespannt, die werden vom Militärpräfekten Renna organisiert. Ich benötige diesen Zugang aber, und zwar dringend. Deswegen bin ich hier.«
Er heftete seinen Blick nun auf Volkert, in dem eine dunkle, unangenehme Vorahnung aufstieg.
»Zenturio Thomasius, Ihr habt mit unseren deutschen Kameraden ein gutes Einvernehmen gehabt, und Ihr seid überdies ein sehr zuverlässiger und eloquenter Mann. Ich brauche jemanden, der überzeugend auftreten kann und der klug ist, keinen barbarischen Querschädel, der nur das Schwert zu führen weiß. In Euch sehe ich den Diplomaten genauso wie den Soldaten. Ich brauche jemanden, der mit den Zeitenwanderern erste Gespräche einleitet, ganz vorsichtig und zurückhaltend. Dieser Mann seid Ihr!«
Volkert wusste, dass er bleich wurde. Wahrscheinlich dachten seine Kameraden, dies sei ihm zu viel der Ehre oder er sei von diesem Vertrauensbeweis förmlich überwältigt worden. Jedenfalls war das Grinsen von Secundus und Levantus nicht anders zu deuten. Doch ihm wurde schlecht angesichts der Zwickmühle, in der er sich befand. Wie konnte er Sedacius diesen Befehl ausreden, ohne den Befehl zu verweigern?
Ein Blick in das Gesicht des Tribuns zeigte ihm, dass dies sicher unmöglich war.
Wie konnte er dann seine Aufgabe erfüllen, ohne aufzufliegen?
Volkert seufzte tief auf. Sedacius klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, dann setzte er seine Ausführungen fort, deren Inhalt der junge Deutsche nur noch wie durch einen Nebel wahrnahm.
In seinem Kopf wirbelte es umher. Er stand vor einer Situation, für die es keine Lösung gab. Ein großes Unheil braute sich über ihm zusammen.
Und dann, erst im Nachgang, fast schon peinlich spät, wurde ihm jäh bewusst, dass Julia in Ravenna lebte.
Thomas Volkert bemerkte, dass sein Leben einmal mehr sehr kompliziert zu werden drohte.
35
Es herrschte Aufregung in der Stadt. Sie war nicht offen sichtbar, aber für jeden unterschwellig zu spüren. Godegisel kannte diese Atmosphäre. Als er sich mit seinen Männern kurz vor dem Angriff seines Volkes auf Thessaloniki in der griechischen Metropole verborgen hatte, war ihm eine ähnliche Stimmung aufgefallen. Damals war sie stärker, fast greifbar gewesen. Damals hatten Zehntausende von Gotenkriegern auch direkt vor der Stadt gestanden. Derzeit war die Bedrohung für Ravenna noch weiter entfernt, etwas diffus, und die Hoffnungen aller, die Gratian Gutes wünschten, lagen auf dem Ausgang der Schlacht, die im fernen Norden derzeit vorbereitet werden würde.
Renna, der als Militärpräfekt dafür sorgte, dass die norditalienische Stadt das Zentrum einer zweiten Verteidigungslinie wurde, sollte Gratian scheitern, versuchte sein Möglichstes, um Zuversicht und Gelassenheit zu verbreiten. Die Tatsache aber, dass er nur wenige Soldaten zur Verfügung hatte und dass die Kontingente, die aus anderen Reichsteilen eintrafen, oft nur recht klein waren, und dass man von vielen gar nicht wusste, ob sie rechtzeitig ankommen würden – all dies ließ sich nicht verbergen.
Und so lag das Unheil in der Luft. Das galt nicht nur für Ravenna selbst, sondern auch für die Siedlung der Zeitenwanderer. Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, die Magister Dahms eingeleitet hatte, waren überall sichtbar. Soldaten patrouillierten in den Straßen und Besucher wurden mit Akribie überprüft. Aus den Schornsteinen des eisernen Schiffes drang permanent Dampf, da die darin befindlichen Maschinen in Bereitschaft gehalten wurden. Vor zwei Tagen hatten sich Priester zu einer stummen Demonstration versammelt, um damit zu zeigen, dass sie über die Aussicht, dass die Zeitenwanderer mit ihrem Hexenwerk in Bedrängnis geraten würden, durchaus erfreut waren. Gerüchte machten die Runde, nach denen Ravenna von aller Unbill verschont bleiben würde, wenn man nur die Zeitenwanderer ausliefern würde. All dies war noch keine Gefahr, solange die Aussicht bestand, dass Gratian in der Schlacht gegen Maximus obsiegen würde. War der Ausgang der Schlacht aber negativ, würden die Agitatoren sicherlich dafür sorgen, dass aus dieser Art von Gerüchten handfeste Pläne wurden, erst recht dann, wenn sich die Truppen des Maximus Ravenna nähern sollten.
Womit auch Godegisel im Stillen
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