Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Schluss. Ich werde mich jetzt hinlegen. Und morgen will ich selbst einen Spähtrupp anführen.«
Valerius sah den alten Mann zweifelnd an. »Herr, ist das notwendig?«
»Ich will es so. Ich kann nicht immer nur im Zelt hocken und Pläne machen. Ich muss sehen. Ich muss hören. Bereite alles vor.«
Der Legat nickte und verließ den alten General, um die Befehle zu geben.
Andragathius gähnte, warf einen Blick auf seine Liegestatt und nickte sich selbst zu.
Er würde jetzt Ruhe finden, dessen war er sich sicher.
19
Der Mann schnappte noch einmal gurgelnd nach Luft, dann versank er endgültig im Hafenwasser. Joergensen beobachtete es mehr aus dem Augenwinkel, während er einen anderen römischen Seemann mit letzter Kraft an Bord der
Saarbrücken
zog, der sich förmlich in den Rettungsring verklammerte, den er ihm zugeworfen hatte. Er hob den Blick, sah weitere Schiffbrüchige, erkannte einige Fischerboote, die sich aufgemacht hatten, den Leidenden zu helfen, und schaute auf die friedlich im Hafenbecken treibenden Trümmer, Reste der Galeeren, die sich dem Kreuzer entgegengestellt hatten und für diesen Mut – oder vielmehr diese ausgesprochene Dummheit – bezahlt hatten.
Von See her kamen keine Angriffe mehr. Die
Saarbrücken
trieb inmitten des Hafens, in einer strategisch günstigen Position, beherrschte sie von hier sowohl die Land- wie auch die Seeseite. Die drei Dampfsegler hatten sich bugseits des Kreuzers in einer Linie gesammelt. Der Enterversuch der
Gratianus
war gescheitert, denn als die Kanonen der
Saarbrücken
die halbe Hafenanlage in Schutt und Asche gelegt und die Geschütze drohend auf das eigene Schiff gerichtet hatte, war der Mut der Angreifer endgültig erloschen. Sie hatten sich ergeben oder waren geflohen.
Von den mehreren Hundert Soldaten, die sie vom Kai aus hatten angreifen wollen, waren nur noch wenige am Leben. Die Trümmer der Ruderboote vermischten sich mit denen der Galeeren. Leichen und Leichenteile trieben im Wasser. Der Kai war durch mehrere Treffer zerschossen, große Explosionskrater hatten den Steinbau aufgerissen. Überall Tote und mehr als genug Verletzte, mit grausamen Wunden, meist durch Granatensplitter oder herumfliegende Steine gerissen, wehklagend, ohne Aussicht auf Hilfe. Niemand, bis auf ein paar todesmutige Zivilisten, die das Gejammer nicht mehr ertragen konnten, traute sich in die Reichweite der Geschütze – nicht wissend, dass die
Saarbrücken,
wenn sie wollte, das gesamte Stadtgebiet abdecken konnte, halb Konstantinopel brennen würde, ehe ihr die Munition ausging.
Doch jetzt schwiegen die Waffen. Joergensen schleppte den halb Ertrunkenen ein paar Meter von der Reling weg, legte ihn auf das Deck, sah, wie dieser heftig atmete und Wasser ausspuckte, und legte ihm eine Decke über den durchnässten Leib. Er achtete darauf, dass dieser keine Waffen mehr bei sich trug. Dann nickte er seinen Leuten zu, die weiter Schiffbrüchige aus dem Hafenbecken fischten, und stapfte dann mit verschlossenem Gesicht zur Brücke, auf der Börnsen auf ihn wartete und ihn erwartungsvoll ansah.
»Wir bleiben auf Position. Ich muss mit jemandem da drüben reden. Ich will wissen, was mit Rheinberg und unseren Leuten ist.«
Der Maat nickte. »Aber die werden Sie gefangen nehmen, wenn …«
»Moment!«
Joergensen trat vor, kniff die Augen zusammen. Jemand war an den Kai getreten, schwang eine weiße Flagge, ein Zeichen, dass der römischen Armee unbekannt war. Dann erschienen zwei weitere Männer, ebenfalls mit weißen Tüchern in den Händen. Sie liefen zielstrebig auf eine Anlegestelle zu, an der noch einige unbeschädigte Ruderboote lagen.
»Das ist Renna!«, sagte der Offizier schließlich mit einer Mischung aus Erleichterung und Überraschung in der Stimme. »Des Weiteren zwei unserer Leute!«
Börnsen nickte erfreut, er hatte die Männer ebenfalls erkannt. Joergensen verließ die Brücke, winkte Klose und gestikulierte in Richtung der drei Kameraden, die sich an einem Ruderboot zu schaffen machten. »Die Leiter runterlassen, hier drüben!«, rief er dem Unteroffizier zu, der sofort reagierte. Ungeduldig warteten sie, bis die drei Männer sich zur
Saarbrücken
herübergerudert hatten, beobachteten aufmerksam die Kaimauer, falls sich doch noch ein vorwitziger Legionär erdreisten sollte, die ungeschützten Ruderer anzugreifen. Doch es geschah nichts und Augenblicke später kletterten der Navarch und zwei Mannschaftsdienstgrade an Bord. Joergensen erkannte die
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