Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
beim Sekretär des Modestus gehörig Eindruck zu schinden.
Dann verbeugte sich der Mann. Er war von fortgeschrittenem Alter, mit grauweißem Haar, das sich am Hinterkopf lichtete. Sein hageres Gesicht wirkte beherrscht und er machte einen intelligenten Eindruck. Seine Stimme war angenehm, fast sanft, als er zu sprechen begann.
»Mein Herr, der Prätorianerpräfekt Modestus, entbietet Euch seinen Gruß und übermittelt seine besten Wünsche.«
Joergensen lächelte säuerlich. Ein massiver Angriff mit Legionären ließ erahnen, worin genau die »besten Wünsche« des Modestus bestanden. Er überließ es Renna, eine Antwort zu drechseln, die dem gegenseitigen Bedürfnis nach Formalitäten Genüge tat.
»Können wir uns in einer Umgebung mit größerer Privatheit unterhalten?«, fragte Pallatius dann. Er winkte seinen drei Begleitern. »Diese verbleiben natürlich hier.«
Joergensen sah dies als Vertrauensvorschuss und ging gerne darauf ein. Er und Renna führten den Sekretär in die Kapitänskabine, wo sie am heruntergeklappten Tisch Platz nahmen. Joergensen schloss die eiserne Tür, was ohne Zweifel ausreichenden Eindruck von Privatheit vermittelte, denn Pallatius ließ jede Hülle der Höflichkeit fallen.
»Trierarch Joergensen, der Heermeister sowie die Hälfte Eurer Männer befinden sich in unserem Gewahrsam. Nachdem Ihr meinem Herrn einen großen Gefallen getan habt, wollen wir über ihre Freilassung reden – und darüber, dass sich Konstantinopel offiziell auf die Seite des Theodosius stellt.«
Renna blinzelte. Joergensen war ebenfalls verwirrt, bemühte sich aber, dies nicht zu zeigen.
»Einen großen Gefallen?«
»Ihr habt die getreuen Soldaten gewisser fanatischer Elemente in der Stadtführung entweder dezimiert oder demoralisiert. Das hat den Handlungsspielraum meines Herrn erweitert. Hier, das ist für Euch.«
Pallatius holte etwas aus seiner Toga hervor. Joergensen griff danach. Es war eine Pergamentrolle. Er öffnete sie und warf Renna einen bedeutungsvollen Blick zu.
»Es ist von Rheinberg.«
Einige Augenblicke vergingen, in denen sich Joergensen mit dem, was zwischen Rheinberg und Modestus besprochen war, auseinandersetzte und die schriftlich niedergelegten Befehle seines Vorgesetzten zur Kenntnis nahm. Pallatius wartete geduldig. Er sah Joergensen erwartungsvoll an, als dieser den Brief niederlegte. Diesmal fiel es dem Deutschen sichtlich schwerer, sein Erstaunen zu verbergen.
»Ihr kennt den Inhalt dieses Schreibens?«, fragte er Pallatius.
»Ich kenne Eure Sprache nicht, Zeitreisender. Aber der Präfekt hat mich über das, was er mit Rheinberg vereinbart hat, in Kenntnis gesetzt.«
Joergensen nahm sich einige Minuten, auch Renna auf den Stand der Dinge zu bringen. Dieser wirkte über die Wendung der Dinge zuerst erstaunt, dann verärgert.
»Das heißt im Klartext, dass wir für Modestus die Drecksarbeit gemacht haben«, fasste er seine Einschätzung zusammen.
»Das heißt vor allem, dass wir Feinde des Reiches ausgeschaltet oder geschwächt haben und dass es eine gute Chance gibt, Maximus eine schwere und umfassende Niederlage im Osten beizubringen«, erklärte Joergensen mit fester Stimme. Ohne auf eine weitere Reaktion des sichtlich empörten Renna zu warten, wandte er sich wieder an Pallatius.
»Der Brief des Heermeisters enthält klare Befehle, die ich auszuführen gedenke. Renna, ich möchte, dass Sie den Leuten, die sich versteckt halten, den Weg zum Hafen weisen, damit sie die Schiffe ordentlich bemannen können. Dann wähle ich einen Teil der Truppe aus, die wir losschicken werden, um Modestus’ Familie zu befreien. Wie ich gehört habe, wird Rheinberg aus den Gefangenen, die offiziell noch in der Hand des Modestus sind, ebenfalls ein paar Kandidaten benennen. Wir wollen so schnell und entschlossen wie möglich handeln.«
Renna nickte nur. Er mochte mit dem Gang der Dinge nicht völlig einverstanden sein, war aber einsichtig genug, um die leicht nachvollziehbaren Anweisungen Rheinbergs sofort umzusetzen. Er wusste, dass es anschließend noch genug Zeit für Diskussionen gab, und Joergensen erwartete, dass sich Renna den alten Modestus gehörig zur Brust nehmen würde, wenn es an der Zeit war – oder auch nicht, falls er bis dahin ebenfalls eingesehen hatte, dass dem Prätorianerpräfekt kein besserer Ausweg aus seiner eigenen misslichen Lage geblieben war. Joergensen bewunderte den alten Mann für seine gefährlichen Manöver, die letztlich eine Gefährdung für seine
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