Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Schritte vor dem Mann stehen, streckte ihm die Fackel entgegen und nickte ihm zu.
»Ich grüße dich. Warum näherst du dich unserem Posten?«
Quintus wusste nicht mal, ob der Mann Latein oder Griechisch verstand, aber es war offenbar auch gar nicht wichtig. Der Alte schob langsam und deutlich sichtbar eine Umhängetasche nach vorne, die er hinter seiner Schulter getragen hatte, und öffnete sie. Quintus blieb wachsam, doch der Hunne holte keine Waffe hervor, sondern eine Schriftrolle, sorgfältig in eine röhrenförmige Ledertasche gehüllt, die er kurz öffnete, damit der Legionär einen Blick hineinwerfen konnte.
Quintus nickte. Eine Botschaft der Hunnen?
Der Alte legte die Lederröhre auf den Boden, nickte nunmehr dem Legionär auffordernd zu, dann drehte er sich um und bestieg sein Pferd. Ohne jede Lautäußerung wendete er das Tier und ritt langsam davon. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann hatte ihn der Nebel verschluckt.
Quintus ergriff den Behälter und betrachtete ihn genau. Schriftzeichen waren sorgfältig in das Leder gebrannt worden. Es war unverkennbar, dass dort ein Name stand.
»Rheinberg, Magister Militium«, stand dort geschrieben.
Die Hunnen schickten dem Oberbefehlshaber des Theodosius eine Nachricht.
Quintus steckte die Röhre ein und kehrte auf seinen Posten zurück. Mit etwas Glück, einem kleinen bisschen Glück, würde die Feigheit seiner Kameraden ihm nunmehr zunutze sein.
Das Schicksal hatte ihm ein paar neue Würfel zugespielt, ein klein wenig gezinkt zu seinen Gunsten.
Quintus würde seinen Wurf machen.
Er hatte nur den einen, das wusste er wohl.
12
»Wenn es nicht sein Ziel ist, dann sollten wir es dazu machen.«
Ambrosius beugte sich nieder und strich mit seinen langen, gelenkigen Fingern sanft über die Kräuter, die im Garten wuchsen, durch den er mit Petronius wanderte. Es war warm, sonnig, und die Luft war trocken, zu trocken eigentlich. Als sie den kleinen Kirchengarten betreten hatten, begrüßt vom hier lebenden Priester, hatte dieser erst einmal sein Leid geklagt: Zu kalt und zu trocken sei es dieses Jahr wieder, und er habe größte Schwierigkeiten, die Kräuter und Gemüse der Anlage zum Wachstum anzuregen.
Petronius blieb neben dem Bischof stehen und wartete ab.
»Deine Einwände sind berechtigt, mein Freund«, fuhr Ambrosius fort. »Natürlich ist es derzeit gefährlich, Maximus infrage zu stellen. Aber er ist ehrgeizig und mir zu … eigenständig. Gottesfurcht alleine nützt nichts. Ist Theodosius geschlagen, stehen noch viel größere Aufgaben an. Ich möchte sicherstellen, dass jemand Imperator ist, dem ich die Durchsetzung der notwendigen Befehle auch dauerhaft zutrauen kann. Da darf niemand müde werden. Niemals nachlassen. Nicht schwanken – und vor allem: Niemals dürfen die Interessen des Staates wichtiger sein als die der Kirche. Genau das, Petronius, ist der Kern der Sache. Die Kirche hat in allem Vorrang.«
»Ich widerspreche Euch nicht, Bischof«, wusste Petronius nur zu sagen und Ambrosius nickte, als ob er nichts anderes erwartet hätte.
»Und dennoch?«, fragte er dann, als der Priester kein weiteres Wort äußerte.
»Und dennoch … können wir doch froh sein, dass jemand wie Maximus regiert. Von Klasewitz zum Kaiser zu machen, ist sehr gefährlich. Er ist ein Fremder, dazu einer der Zeitenwanderer, und besiegen wir erst Rheinberg, wird er auch sehr allein sein, umgeben nur von jenen, die ihm im Grunde misstrauen.«
»Sehr klug beobachtet, mein Freund.« Ambrosius reckte sich und klatschte in die Hände. »Und das ist doch genau der Punkt! Ein Imperator, dessen einziger Freund die Kirche ist, dessen einzige Stütze die Hierarchie der Kirche darstellt. Der ein Programm zur Durchsetzung unserer Orthodoxie untrennbar mit seinem eigenen politischen Überleben verknüpfen muss, um an der Macht und am Leben zu bleiben. Er wäre ein Mann von unseren Gnaden, Petronius, der allein Trost und Hilfe von uns erhielte, Schutz und Zuspruch im Glauben und in den Armen der Kirche finden würde und nirgendwo sonst. Gerade weil er keine eigene Machtbasis in der Verwaltung hat – anders als Maximus. Gerade weil er keine eigene Machtbasis in der Armee hat – anders als Maximus. Weil keiner der Senatoren sich für ihn einsetzen wird – anders als bei Maximus. Der keine eigenen Siege zur Legitimation vorweisen könnte, keine großen Taten, keine brillanten Erfolge – anders als Maximus. Die perfekte Marionette in den Händen der
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