Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Großvater war noch freiwillig in die Legion gegangen und hatte es bis zum Dekurio gebracht. Sein Vater war bereits durch das Gesetz gezwungen worden, nach dem die Söhne den Beruf des Vaters zu ergreifen hätten, und dieses Gesetz wurde im Falle der immer nach neuem Personal rufenden Legionen besonders eifrig durchgesetzt. Sein Vater hatte es nicht weit gebracht, andererseits hatte er auch keine Schande über seinen Beruf gebracht. Er hatte überlebt, war ehrenvoll entlassen worden, hatte sich niedergelassen, drei Kinder gezeugt und war im durchaus würdigen Alter von 51 Jahren beim Bestellen seiner Felder tot umgefallen.
Quintus hatte nichts gegen die Legion.
Aber es schien, als habe die Legion etwas gegen ihn.
Er traf offenbar immer auf die Falschen. Die falsche Kameraden, die sich als trunksüchtige Gauner herausstellten und Quintus, der nicht nach dieser Art von Zerstreuung suchte, mit in Dinge hineinzogen, für die er nicht verantwortlich war, dann aber zur Verantwortung gezogen wurde. Die falschen Vorgesetzten, die in dem schlaksigen jungen Mann mit dem blassen Gesicht ein Opfer sahen, jemand, an dem man für andere schlaksige junge blasse Männer ein Exempel statuieren konnte. Da Quintus aber durchaus dienstbeflissen war, Befehle getreulich befolgte und Disziplin wahrte, musste man schon sehr nach Verfehlungen suchen, um ein schlechtes Beispiel aus ihm zu machen. Einige seiner Vorgesetzten schienen dies zu einer Lebensaufgabe gemacht zu haben.
Und so hatte Quintus Virilius die ganze Woche Wache auf einem weit vorgeschobenen Grenzposten, einem Ausguck aus Holz, der auf vier Baumstämmen errichtet worden war, mit einer sehr wackeligen Treppe, die ihn und seine beiden Kameraden hinaufführte. Der Ausguck hatte ein Dach – das undicht war – und ein Pferd, dessen Reiter allzeit bereit sein musste, mit einer wichtigen Beobachtung zum Kommando zu eilen, während die beiden anderen Legionäre sehen mussten, wie sie zurechtkamen. Alle drei Männer hatten schlechte Laune, und mit jedem weiteren Tag in der luftigen, nicht immer trockenen Höhe, mit den eintönigen Mahlzeiten aus Getreidebrei und steinhartem Brot und der Pflicht, fortwährend nach Osten zu starren, falls die Horden der Hunnen sich in diese Richtung begeben sollten, wurde diese Laune beständig schlechter.
Und so fielen sie sich gegenseitig auf die Nerven.
Quintus versuchte, möglichst wenig zu sagen.
Das allein schien seine beiden Kameraden, von denen er nicht viel mehr als ihre Namen kannte, nur noch mehr zu reizen.
Egal, was er tat oder unterließ, es war falsch.
Wenn er Zeit hatte, hing Quintus Tagträumen nach. Er sah sich nicht als Imperator oder Ritter, als ruhmreicher General oder dergleichen. Er hatte seine Jugend auf dem Hof seines Vaters geliebt, die Freiheit, die er dort genossen hatte. Sein Vater war kein herrischer Mensch gewesen, war nach seinem Ausscheiden aus der Legion des Herumbrüllens und Kommandierens müde gewesen. Ein sanfter, schnell alternder Mann, der seine Frau und seine Kinder sehr geliebt hatte. Quintus wünschte sich auf den Hof zurück, träumte davon, mit der Tochter des Nachbarn, der süßen Sabina, etwas anzufangen, wie er es sich niemals getraut hatte. Nun würde er sie niemals wiedersehen, dessen war er sich sicher. Er träumte davon, den Anbau fertigzustellen, von dem sein Vater immer geredet, den er aber niemals begonnen hatte, einen Stall für ein paar Kühe vielleicht, wenn er es sich leisten konnte.
Es waren bescheidene Träume. Sie trösteten ihn in der Nacht, wenn er einmal mehr von seinen Kameraden beim Spiel betrogen worden war, sodass diese tief und schnarchend schlummerten, während er in die trübe Suppe der waldigen Gegend starrte, kaum durch das Sternenlicht erhellt, ein Posten irgendwo ganz am Rand von Moesia Inferior, gut 200 Meilen von Noviodunum entfernt, wo römische Zivilisation und Bequemlichkeit lagen.
Quintus seufzte. Dies war sein drittes Jahr in der Legion. Er war vor zwei Wochen 20 geworden, was niemanden interessiert und niemand bemerkt hatte. Die Aussicht, weitere 17 Jahre mit Diensten wie diesem zubringen zu müssen – oder einen frühzeitigen Tod durch die Klinge eines Barbaren zu erleiden –, hob seine Stimmung nicht. Dann war er 37. Mit etwas Glück würde er dann noch zehn gute Jahre haben, ehe sein Leben endete.
Das war nicht das, was Quintus sich vorgestellt hatte.
Immerhin war es relativ ruhig.
Es war auch nervtötend langweilig. Es war kühl. Feucht.
Die Füße
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