Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Schiff, mit dem er selbst gereist war, einlief. Es musste entweder ganz in der Nähe geankert haben oder der Kapitän hatte tatsächlich die sternenklare Nacht genutzt, um sich die Küstenleuchtfeuer entlang bis nach Ravenna zu orientieren. Normalerweise zogen Schiffsführer es vor, in der Nacht die Reise zu unterbrechen, doch manche Wagemutige – und jene, die Gewässer und Ufer aus jahrelanger Erfahrung ausgezeichnet kannten – setzten ihre Reise auch bei Dunkelheit fort. Die Behörden, das wusste man, sahen das nicht gerne, nicht zuletzt deswegen, weil ein Schiff, das in der Nacht manövrierte, auch ohne Probleme Schmuggelware transportieren konnte. Zölle und Abgaben waren hoch, vor allem in Zeiten des Krieges, und für viele zu hoch.
Das Schiff legte an. Hafenarbeiter, die frühe Hektik nicht gewohnt, begannen, sich mit mürrischen Gesichtern am Kai aufzureihen, um den Neuankömmling zu entladen.
Dann Geschrei, eine andere Art von Hektik.
»Lasst mich in Ruhe! Ihr sollt mich loslassen!«
Die lauten Rufe eines Mannes vom Deck des Schiffes. Aller Augen richteten sich neugierig auf das Spektakel. Am Rande bemerkte Godegisel, wie sich zwei Hafenwachen näherten, die Schwerter griffbereit am Gürtel. Er beschloss, sich einige Schritte zurückzuziehen. Das roch nach Ärger, den konnte er jetzt nicht gebrauchen.
»Ich habe … Finger weg! Arschloch!«
Ein Mann entwand sich dem Griff zweier Seeleute, stieß einen der Häscher gegen die Brust, dann sprang er über die Reling auf das nahe Ufer, ein mächtiger Satz. Die Hafenarbeiter wichen zurück und machten unfreundliche Bemerkungen.
Der Mann sah sich gehetzt um.
Die beiden Hafenwachen waren heran.
»Ergreift ihn!«, brüllte der Kapitän von der Reling seines Schiffes her.
»Ergreift ihn! Lasst ihn nicht entkommen!«
Die beiden Hafenwachen griffen beherzt zu. Es kam zu einer Rangelei. Der Mann wehrte sich verbissen. Ein Arbeiter, ein Bulle von einem Mann, schritt nun heran, um der Sache ein Ende zu bereiten. Er packte den Wütenden beim Kragen, doch die Kleidung hielt nicht das, was von ihr erwartet wurde. Es gab einen hässlichen Reißlaut, dann hing die Tunika nur noch in Fetzen in seinen Fäusten.
Plötzlich war es ganz ruhig.
Der Kampf war ebenso unmittelbar vorbei, wie er begonnen hatte.
Godegisel beugte sich vor, spürte plötzlichen Schweiß auf seiner Stirn.
Der Mann, nunmehr mit freiem Oberkörper, stand zitternd da und versuchte, mit seinen Händen die Beweise zu verdecken.
»Es ist nur ein Irrtum«, schluchzte er. »Es ist nur ein Irrtum!«
Flehentlich sah er sich um.
»Ich bin völlig in Ordnung!«
Dann Stille.
Godegisel sah, wie die Arbeiter und Soldaten Abstand gewannen, einen Kreis um das armselige Bündel Mensch bildeten. Er hörte Geschrei und Befehle und Rufe der Angst.
Es gab keinen Zweifel.
Die Pest war in Italien angekommen.
16
Freiherr von Klasewitz goss sich noch einen Kelch Wein ein. Dies war nicht die dünne Pisse, die der normale Bürger, der Legionär und alle anderen tranken, die den essigsauren Geschmack schon nicht mehr bewusst wahrnahmen. Dies war ein ausgezeichneter Tropfen, geliefert aus Griechenland, ein Genuss, der auch den höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Von Klasewitz war nie ein echter Weinkenner gewesen, aber seit er in dieser Zeit weilte, hatte er Gefallen an diesem Trunk gefunden. Und seit er Heermeister war, achtete er darauf, dass nur die besten Tropfen den Weg in seine Kehle fanden. Nicht immer war er in der Lage zu ermessen, ob die versprochene Qualität tatsächlich so herausragend war – er hatte dafür schlicht nie den Gaumen entwickelt. Also ging er nach dem zentralen Kriterium, das dem Ignoranten am Ende blieb: nach dem Preis. Der Wein konnte gar nicht teuer genug sein. Ausgehend von der Reaktion seiner Gäste, die er bisweilen in die ihm zugewiesene Villa einlud, war diese Strategie durchweg von Erfolg gekrönt.
Auch Petronius, der Priester, war dieser Form der Freuden keineswegs abgeneigt. Er aß in Maßen, das hatte von Klasewitz bereits feststellen dürfen, und das, obgleich die Küche, die sich der neue Heermeister leistete, höchsten Standards genügte – was sie auch musste, denn auch hier ging der Freiherr nach dem Motto vor, dass alles gut sein musste, was auch teuer war. Das Trinken aber war des Petronius Leidenschaft, und hier war es speziell der Wein. Im Gegensatz zum Deutschen, der auch dem Schnaps, nun, da er weithin erhältlich war, gelegentlich zusprach,
Weitere Kostenlose Bücher