Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Anzeichen für die Wirkung des Giftes, wie Flavia es vorhergesagt hatte. Er war so in seine Tätigkeit vertieft, dass er fast nicht bemerkte, wie sich der Trierarch des Schiffes zu ihm gesellte, begleitet von zwei vierschrötigen Legionären, die zwar schwitzten, aber trotzdem Helme trugen.
Salius sah den Mann an und spürte, wie sich die Unruhe in ihm vergrößerte.
»Ein schöner Tag, Dekurio«, murmelte der Mann zur Begrüßung. »Doch du siehst beunruhigt aus. Darf ich deine Sorge erfahren?«
»Keine Sorgen, Trierarch. Vielleicht fühle ich mich etwas unwohl. Die See, die bin ich nicht gewöhnt.«
Der Mann nickte bedächtig und schenkte Salius ein verständnisvolles Lächeln.
»Ja, das macht so manchem zu schaffen. Alles in allem jedoch verhalten sich die Männer gut und die Klagen sind selten. Wir dürfen beruhigt sein.«
»Das stimmt wohl.«
»Wie gut, dass der Plan, unsere Überfahrt zu einer grausamen Qual zu machen, indem man uns vergiftete Vorräte unterjubelt, so grandios gescheitert ist, nicht wahr?«
Salius blieb starr stehen. Er rang um Fassung. Der Trierarch hatte den Satz so beiläufig geäußert, die wahre Bedeutung seiner Worte sickerte erst langsam ein.
Verrat.
Er war verraten worden.
Das Bild der hämisch lächelnden Flavia stand unmittelbar vor seinen Augen, so real, als würde sie sich tatsächlich an Bord befinden.
Salius spürte, wie sich die Hände der beiden Muskelpakete um seine eigenen Handgelenke schlossen, wie der Trierarch ihm das Schwert abnahm, erneut in einer fast beiläufigen Geste. Die Aktion erregte nun Aufmerksamkeit, vor allem als zwei weitere Legionäre den rot angelaufenen Screpius an Deck holten, die Hände auf den Rücken gefesselt, entwaffnet, verraten. Und dann kamen auch die beiden anderen Männer zum Vorschein, die gleichfalls von Flavia enttarnt worden waren.
Screpius’ Blick in Richtung des Salius war fatalistisch und vorwurfsvoll.
Salius konnte es ihm nicht verübeln.
»Was wird mit uns geschehen?«, fragte er den Trierarchen gefasst. Jetzt noch etwas zu leugnen, wäre reichlich sinnlos gewesen. Außerdem war die Frage letztlich rhetorischer Natur. Für die Männer des Maximus waren sie Verräter, und für diese gab es nur ein einziges Schicksal. Die Frage war nur noch, ob er den Tod schnell und schmerzlos erleiden würde oder ob sein Ende nur den Abschluss längerer Qualen darstellte.
Der Trierarch kratzte sich nachdenklich am Bart.
»Ich werde dich und deinen Freund foltern lassen, bis wir alle Details eures Auftrags kennen. Ich vermute, ihr handelt im Auftrag des Theodosius.«
Es schadete nicht, dies zuzugeben, denn es war so offensichtlich, dass es im Grunde keiner Erörterung bedurfte. Salius nickte.
»Ich verstehe. Nun ja, die Folter gehört zum guten Ton, wir wollen alles wissen. Maximus ist nicht erfreut über diese Entwicklung. Euch beide haben wir, aber ich vermute mal, dass es noch mehr von eurer Sorte gibt. Das wüssten wir gerne.«
Salius runzelte die Stirn. Flavia hatte sie alle enttarnt. Aber das wusste sie nicht und der Trierarch musste ebenfalls davon ausgehen, dass es möglicherweise noch weitere Verräter gab. Für ihn war das Verhör die logische Konsequenz aus dieser Situation. Salius konnte es ihm nicht einmal verübeln. Er hätte an seiner Stelle wohl ebenso gehandelt.
Salius fürchtete die Folter, wie jeder vernünftige Mann es tat. Er konnte Schmerzen ertragen, und das wahrscheinlich ziemlich lange. Aber er kannte die Methoden und er kannte die Ausdauer der damit Beauftragten, entweder Männer, die große Freude an dem empfanden, was sie da taten, oder welche, die akribische Genauigkeit und Sorgfalt für diese Aufgabe aufbrachten.
Salius würde reden, falls er nicht vorher starb. Meister ihres Faches sorgten dafür, dass Letzteres erst dann eintrat, wenn es beabsichtigt war. Screpius würde ebenfalls reden, irgendwann. Das war kein Ausdruck mangelnden Vertrauens in den Kameraden, es war eine schlichte Tatsache.
Salius sah Screpius in die Augen. Er bemerkte das unmerkliche Nicken. Bedauern erfüllte Salius. Es war so schade, dass es jetzt enden musste. Immerhin würde er an der Seite eines alten Weggefährten sterben. Dieser Gedanke tröstete ihn für einen Moment.
Er senkte den Kopf. Er konnte die beiden anderen seiner Gefährten nicht ansehen, ohne einen Verdacht zu erregen. Sie mussten jetzt für sich selbst sorgen. Es war bitter, das zu erkennen.
Sehr bitter. Es tat mehr weh als das, was er nun zu tun
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