Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
verstärkt hatte.
Claudia war glücklich. Julia war glücklich. Secundus war glücklich. Volkert war glücklich.
Es war wirklich kaum zu glauben.
Volkert sah auf die Kolonne der letzten 2000 Männer, die das Heerlager vor der Hafenstadt abgebaut hatten und nun den Marsch ins Landesinnere begannen. Er ging felsenfest davon aus, dass sein Glück nur von kurzer Dauer war. Irgendwas würde schiefgehen. Jemand würde sterben. Ein Unglück würde geschehen. Es war so viel gut und so viel schlecht gelaufen, dass Volkert nicht glauben mochte, dass nun alles ein frohes Ende nehmen würde. Ihn plagte diese dunkle Vorahnung. Abstreifen wollte er sie, vergessen und über sie lachen. Doch kaum war er einmal nicht mit anderen Dingen beschäftigt, wanderten seine Gedanken zu diesem Thema zurück und seine Stirn umwölkte sich, als wäre das dräuende Unheil schon jetzt deutlich zu erkennen.
Bertius, der auf einem Pferd neben seinem Schutzbefohlenen saß, bemerkte das wohl. Leider war er in einer schlechten Position, Volkert aufzuheitern. Der Germane selbst hegte seine Zweifel und Ängste. Es war die entscheidende Schlacht, und Bertius war niemand, der Entscheidungen schätzte. Er bewegte sich lieber im Halbdunkel der Indifferenz, im Schatten der Unentschlossenheit, war ein Mann des Vagen. Sobald die Dinge sich zuzuspitzen und schwarz oder weiß zu werden drohten, ein Ja oder ein Nein herausforderten, fühlte er sich unwohl. Und darauf lief derzeit alles hinaus.
Bertius also war nicht glücklich.
Natürlich ließ er keine Gelegenheit verstreichen, seine Gefühlslage zum Ausdruck zu bringen. Da Volkert das mittlerweile gewohnt war, beachtete er es normalerweise nicht weiter. Diesmal aber war eine neue Qualität im unentwegten Gejammere des Mannes, die Andeutung von Furcht. Natürlich hatte Bertius dauernd vor Dingen Angst, nicht zuletzt davor, zu viel arbeiten zu müssen oder nicht genug zu essen zu bekommen. Seine aktuelle Furcht jedoch war grundlegender Natur, fast schon kreatürlich. Er war hin und her gerissen zwischen seiner Loyalität für Volkert und seinem Bedürfnis, zwischen sich und dem Schlachtfeld eine möglichst große Distanz einzuhalten.
»Es ist gut, Bertius«, sagte Volkert, als sie langsam die Marschkolonne entlangritten.
»Ich bin nur …«
»Ich auch. Aber wir können nicht davonlaufen. Die Dinge entwickeln sich ohne unser Zutun, aber wir werden von ihnen eingeholt, können nicht so tun, als würden sie uns niemals betreffen.«
»Es muss die letzte Schlacht sein«, meinte sein Diener hoffend. »Ich glaube nicht, dass mein schwaches Gemüt eine weitere ›Entscheidung‹ verkraftet. Ich meine, irgendwann muss doch tatsächlich einmal etwas entschieden sein.«
Volkert lächelte nachsichtig. Diesen Glauben hatte er, ob man das nun Zynismus nennen wollte oder nicht, schon vor geraumer Zeit aufgegeben.
Aufgeben müssen.
»Nein, ich befürchte nicht. Was auch immer geschieht, es löst nur eine weitere Veränderung aus. Hoffentlich eine, die wir für richtig halten, aber erwarte danach keine Ruhe. Eine Entscheidung löst die nächste aus.«
»Aber wir können doch einmal zufrieden sein«, klagte Bertius. »Wir haben etwas erreicht und sind zufrieden. Damit werden wir vielleicht genügsamer und müssen nicht nach neuem Streit suchen.«
»Etwas weniger Streit wäre auch in meinem Sinne. Aber die Hoffnung, dass wir jemals dauerhaft mit etwas zufrieden sein werden – die kannst du dir abschminken. Sobald wir etwas erreicht haben, ein Ziel, einen Wunsch erfüllt, eine Etappe bewältigt, halten wir nur kurz inne, um dann den Blick wieder nach oben oder nach vorne zu richten. Dann sehen wir, wie etwas am Horizont glitzert, wir haben eine neue, noch bessere Idee, das Haus wird zu klein, das Pferd wird zu alt, das Essen eintönig, und wir wollen mehr, etwas Neues, den nächsten Schritt tun. Es gibt keine finalen Entscheidungen, keine abschließenden Ereignisse, kein Ende von etwas. Sobald wir etwas haben, streben wir nach dem Nächsten. Erst wenn wir sehr alt sind, dann können wir zurückblicken und ausruhen und anderen das Streben überlassen.«
Volkert sah Bertius beinahe entschuldigend an. Es war ja nicht so, dass er diese Erkenntnis sehr schätzte. Das Problem lag ja nicht darin, stetig nach etwas Neuem zu streben. Es fing erst dann an, wenn Menschen sehr unterschiedliche Dinge erstrebten und diese Wünsche sich gegenseitig widersprachen. Besonderer Ehrgeiz führte dann leider dazu, dass jedes Mittel als
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