Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
bestimmt, einen Bischofsstuhl, eine verantwortungsvolle Aufgabe.
So fand jeder seinen Platz.
Petronius war äußerst zufrieden mit der Welt, in der er lebte.
Was seine Zufriedenheit schmälerte, waren Männer wie Maximus, die in ihrem sogenannten Pragmatismus vergaßen, dass die Welt auf das Jüngste Gericht zusteuerte und es notwendig war, der Wiederkehr des Heilands den geeigneten Boden zu bereiten. Und Teil dieser gewisslich nicht einfachen Aufgabe war es, alle Häretiker und Ketzer vom Antlitz der Erde zu tilgen. Eine herkulische Herausforderung, doch ein jeder, der fest im Glauben war, würde ihr mit Entschlossenheit begegnen, so auch Petronius.
Sein Blick fiel auf Thidrek, der an seinen Lippen hing und froh lächelte, als er sich der Aufmerksamkeit seines spirituellen Anführers gewiss wurde.
Petronius erwiderte das Lächeln.
»Thidrek, es scheint, als wäre deine Stunde bald gekommen.«
»Ich bin bereit!«
Das war nicht so dahingesagt, das hörte man heraus. Hier sprach jemand, der sich ganz seiner Sache verschrieben hatte.
»Du hast dich vorbereitet?«
»Jede Nacht bete ich und unterwerfe mich den Exerzitien, die Ihr mir beigebracht habt. Ich reinige meinen Körper und meinen Geist, vertiefe mich in die Schriften, brenne die Worte des Herrn in meine Seele, auf dass sie mir beständige Anleitung und Stärkung sein mögen.«
»Äh, ja, sehr gut. Und das Messer? Ist es bereit?«
Thidrek nickte eifrig. »Geschärft ist die Klinge, scharf wie der Zorn des Herrn.«
Petronius nahm dem jungen Priester seinen Pathos nicht übel. Wenn es half, in die richtige Stimmung zu kommen, um Maximus umzubringen, nur um danach selbst abgeschlachtet zu werden, dann wollte er nachsichtig sein. Das Ergebnis zählte schließlich und nichts anderes.
»So ist es richtig, Thidrek. Ein Tat wie diese bedarf beider Aspekte: des geschärften Geistes und der geschärften Klinge. So wie du ein Werkzeug Gottes bist, ist das Messer das deine. So wie Gott dich liebt und dir Segen verspricht, so musst du die Klinge lieben und für sie sorgen. So wie Gott dich am Heft nimmt und gegen seine Feinde führt, führst du die Waffe in seinem Namen. Nie gibt es eine größere Einheit von menschlichem und göttlichem Willen und Vermögen. Du bist gesegnet, Thidrek, wahrlich gesegnet.«
Der junge Mann lächelte erfreut und verbeugte sich.
»Geh und sammle dich im Gebet«, beschied Petronius ihm nun.
Thidrek nickte ihm zu, verabschiedete sich und trat ins Freie. Petronius war sich sicher, dass der junge Mann heute nicht mehr viel Schlaf finden würde, doch das war nicht allzu schlimm. Der Gedanke an sein eigenes Schicksal, das klar gezeichnet vor ihm lag, erfüllte ihn nun ganz sicher mit belebender Frische.
Er sah Thidrek nach, dann wandte sich seine Aufmerksamkeit einem anderen Gedanken zu.
Bischof Petronius von Ravenna.
Das war es, was Ambrosius ihm immer wieder versprochen hatte. Sicher, die Gemeinde der Stadt hatte da auch noch ein Wörtchen mitzureden, aber wenn sich der Hirte von Mailand für ihn verwendete, war dies sicher nicht mehr als eine Formalität.
Petronius reckte sich. Ravenna war nicht ohne Wohlstand. Er würde sich die Stadtvilla des Senators Viscasius zu eigen machen. Viscasius war einer der Senatoren, die sich auf die Seite des Theodosius geschlagen hatten. War der Spanier erst besiegt, wäre es ein Leichtes, Viscasius zu enteignen und dafür zu sorgen, dass dieser spezielle Teil seines Erbes in die Hände der Kirche gelangte. Und von den Händen der Kirche war es dann ja nicht mehr allzu weit bis in die Hände des Petronius.
Ja, wenn er es recht betrachtete, war das eigentlich in etwa das Gleiche.
Er lauschte.
Thidrek hatte damit begonnen, Psalme aufzusagen. Damit würde er sich jetzt sicher bis zum erneuten Aufbruch beschäftigen.
Petronius lächelte.
Irgendwo musste noch etwas von seinem Wein übrig sein. Vielleicht fand er etwas gerechten Schlaf, wenn er mit einem Becher Roten nachhalf.
30
Das geplante Treffen kam zustande.
Niemand hatte ernsthafte Einwände erhoben und der Kaiser hatte entschieden. Rheinbergs Unwohlsein war nicht geschwunden, doch er wusste um die Unausweichlichkeit der kommenden Ereignisse und erkannte, dass sein Platz jetzt in der zweiten Reihe war. Das hatte durchaus etwas Tröstliches.
Es kam zustande, ohne Probleme, ohne Verzögerungen und weil beide Seiten es wollten. Der Treffpunkt war gut ausgewählt worden, um gegenseitiges Misstrauen zu minimieren. Als die
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