Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Christ, ganz und gar der Sache der Kirche verschrieben. Und bereit, für diese Sache Dinge zu tun, für die er bereits im Voraus umfassende Absolution erhalten hatte.
»Ich habe es im Zelt des Maximus gehört, Herr«, meinte Thidrek unterwürfig. Er hielt sich oft dort auf, las aus den heiligen Schriften vor, hielt Gottesdienste für die Offiziere ab, war sich aber auch für einfache Arbeiten nicht zu schade. Ein nützlicher Reisegefährte, wie auch der Kaiser fand, und ein schweigsamer und unauffälliger dazu. Genau das, was Ambrosius von ihm erwartete, damit er sich in die richtige Position bringen konnte, um eines Tages zu tun, was zu tun war – und angesichts der aktuellen Entwicklungen würde dieser Tag nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Petronius war erregt, und er spielte das nicht nur. Dass Maximus im Amt anfing, pragmatisch zu werden, das hatte der Bischof ja schon früh erkannt und bemängelt. Aber eine solche defätistische, ungeheuerliche Entscheidung zu treffen!
Eigentlich waren beide Priester sehr müde. Die Nachtruhe war kurz, dann würden sie alle weitermarschieren, denn morgen schon sollte das Feldlager aufgeschlagen werden, von dem aus sie die entscheidende Schlacht suchen würden.
Entscheidende Schlacht!
Petronius lachte auf.
Falls es überhaupt dazu kommen würde!
»Er hat genau das gesagt, Bruder? Du irrst dich auch nicht?«
Falls Thidrek gekränkt war ob des Unglaubens seines Mitbruders, so zeigte er dies nicht. Er nickte entschlossen.
»So fielen die Worte, Petronius. Er will Theodosius ein Friedensangebot machen. Das Reich soll geteilt werden: seine Herrschaft im Westen, die des Theodosius im Osten.«
»Unfassbar! Der Spanier wird in seiner Hälfte der liberale Regent sein, der uns alle mit so großer Abscheu erfüllt! Die Arianer werden verschont, und nicht nur die – alle anderen Abspalter und die Vertreter der traditionellen Religionen werden gleichfalls die Freiheit genießen! Und es gibt so viel mehr Arianer im Osten als im Westen! Unsere Säuberungen ergeben gar keinen Sinn mehr. Das würde de facto die Spaltung der Kirche bedeuten!«
Petronius redete sich in Rage – mit gedämpfter Stimme zwar, aber mit bebenden Lippen und wilder Gestik.
»Das bringt das Fass zum Überlaufen! Ambrosius hatte mit seinen Zweifeln recht! Maximus droht vom rechten Pfad abzuweichen, ihm fehlt es an Durchsetzungskraft und an Ehre! Mit Theodosius Frieden schließen! Was für eine absurde Vorstellung so kurz vor dem Sieg!«
»Es scheint, als wäre Maximus von diesem Sieg nicht ganz so überzeugt.«
»Unsinn. Der Herr ist auf unserer Seite! Wir können gar nicht verlieren!«
»Er meint, wenn Theodosius fliehen kann, dass sich der Bürgerkrieg noch viel länger hinzieht.«
»Dann muss der Spanier sterben!«
»Und dann ist da immer wieder das Thema der Pest …«
»Schweig jetzt, Thidrek! Schweig! Ich will all das nicht mehr hören!«
Der junge Mann schloss pflichtschuldig den Mund. Petronius war ihm nicht wirklich böse. Er hatte nur berichtet, was er gehört hatte, und dies war ja exakt seine Aufgabe gewesen. Der Priester hatte es ja ohnehin nicht leicht. Er würde bald sterben. Wer den Kaiser ermordete, den würden die Leibwachen sofort hinrichten, daran bestand kein Zweifel. Petronius betete für den jungen Mann. Er war sich sicher, dass der Herr ihn in sein Himmelreich aufnehmen würde. Jeder himmlische Lohn für seine gerechte Tat war ihm gewiss.
Petronius zwang sich zu einem Lächeln.
»Thidrek, du hast gut getan und danke, dass du mir sogleich berichtet hast. Unser aller Hirte, der große Ambrosius, weiß deine Dienste sehr zu schätzen und ich umso mehr.«
Thidrek lächelte erfreut und da stand wieder dieses eifrige Glühen in seinen Augen, dieser bedingungslose Gehorsam, dessentwegen er vom Bischof ausgesucht worden war.
Eine wichtige Qualität, fand Petronius. Dass Thidrek gleichzeitig nicht notwendigerweise einer der Hellsten war, half in diesem Zusammenhang auch. Der Herr sorgte bei seinen Dienern für die richtige Kombination an Geistesgaben zur Erfüllung seines Willens. Der Priester fand, dass in den geistig weniger Begabten der Heilige Geist mitunter besonders intensiv brannte. Dies hatte sicher einen Sinn, vor allem um damit fromme Gefolgsleute zu haben, die ohne großes Nachdenken und nicht von Zweifeln geplagt den Willen des Herrn – und somit den Willen der Kirche – exekutierten.
Petronius selbst war, das war sicher, für höhere Ämter in der Kirche
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