Kaiserkrieger: Der Aufbruch
stolperte über den Satz, er war es nicht gewohnt, derlei offen mit einer Frau zu diskutieren.
»Warum habt Ihr mich eigentlich nie in Euer Bett geholt ?« , fragte Aurelia. »Bin ich hässlich ?«
»Wie? Was? Nein!«
»Oder zieht Ihr die Gesellschaft von Männern vor ?«
Rheinberg fühlte, wie er rot anlief. Er war es absolut nicht gewohnt, überhaupt über derlei zu sprechen.
»Nein !« , erwiderte er emphatisch. »Ich bin absolut, ich meine, es ist keinesfalls … du bist sehr …«
Das Stolpern nahm kein Ende. Rheinberg beschloss, sich nicht weiter aus der Fassung bringen zu lassen. Er nahm den Faden wieder auf.
»Wenn nun dein neuer Herr in jeder Hinsicht ein Ekel gewesen wäre, ein widerwärtiger, grausamer Mann, würdest du dann nicht auch den Unterschied zwischen Freiheit und Sklaverei erkennen ?«
»Sicher.«
»Also …«
»Dem ist aber nicht so .«
Rheinberg versuchte, sich nicht an die Stirn zu greifen. Diese Diskussion stellte sich als weitaus schwieriger heraus, als er es sich vorgestellt hatte. Er verspürte das plötzliche Verlangen nach einem Schluck Wein, und als hätte Aurelia seine Gedanken gelesen, wurde ihm auch sogleich eingeschenkt.
»Aber es könnte doch sein. Das Schicksal nimmt manchmal sehr unerwartete Wendungen, davon kann ich vieles berichten«, beharrte Rheinberg nun.
»Ihr besteht sehr auf einer schlechten Wendung Eures und damit auch meines Lebens«, beobachtete Aurelia. »Eure Einstellung zeugt nicht von besonders großem Gottvertrauen. Hätte der Herr nicht Großes mit Euch vor, wäret Ihr nicht da, wo Ihr seid .«
»Diese Hybris ist schon vielen zum Verhängnis geworden .«
»Misstrauen und Angst vor dem eigenen Schicksal auch.«
»Wir drehen uns im Kreis .«
Aurelia lächelte. »Ich würde gerne einmal mit Euch tanzen, mein Gebieter !«
Rheinberg verdrehte die Augen. »Nenn mich nicht so. Und nein, ich bin kein besonders begnadeter Tänzer .«
»Die Qualität eines Tanzes hängt allein von der Freude am Tanzpartner ab .«
»Können wir bitte auf das eigentliche Thema zurückkommen ?«
»Wir haben das Thema nie verlassen. Es geht um mich. Es geht um Euch .« Sie machte eine Pause. »Es geht um uns .«
Rheinberg griff schon fast automatisch zum Weinkelch und trank in schnellen, gierigen Schlücken. Für einen Moment wünschte er sich zurück in die Schlangengrube des kaiserlichen Hofes, in die Gesellschaft der nervigsten und penetrantesten Hofschranzen. Das hatte er sich tatsächlich viel, viel einfacher vorgestellt.
Oder vielleicht packte er es auch nur falsch an.
»Aurelia, es geht um ein Prinzip. Das Prinzip heißt: Ein Mensch darf den anderen nicht besitzen. Wer sich frei und ohne Druck dafür entscheidet, jemandem oder etwas zu dienen – einem Menschen, einem Staat, wem auch immer –, den will ich weiterhin als frei bezeichnen .«
»Im Reich waren die Unterschiede bisher eher verwischt«, wandte sie ein. »Der Sohn des ach so freien Soldaten wurde gezwungen, ebenfalls einer zu werden. War er frei oder Sklave ?«
»Sklave«, erwiderte Rheinberg sofort. »Deswegen gehört es zu den großen Reformen, die der Kaiser zurzeit durchführt, genau diese Gesetze entweder ganz abzuschaffen oder zu erleichtern. Das wird dir sicher nicht entgangen sein .«
»Nein. Ich wollte nur verstehen, worüber Ihr redet .«
Rheinberg beschloss, keinen weiteren Wein mehr zu trinken.
»Du bist mein Besitz. Es gibt einige Gesetze, die auch den Sklaven schützen, aber letztlich kann ich mit dir machen, was ich für richtig halte .«
Aurelia schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.
»Das erinnert mich an die Frage von vorhin, warum Ihr …«
»Und deswegen muss ich dich freilassen«, schnitt Rheinberg ihr gerade noch rechtzeitig das Wort ab. »Du nennst es verstoßen und ich will es dir nicht zum Vorwurf machen. Dein Leben wurde bisher von der Erkenntnis bestimmt, Besitz eines anderen zu sein. Ich bitte dich jetzt nur, dich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass du niemandem gehörst außer dir selbst. Und dass ich dem rechtliche Würdigung geben muss, indem ich morgen zum Magistrat gehe und deine Papiere ändere. Nein …«
Aurelia schloss ihren Mund wieder.
»Denk darüber nach. Bitte. Ich hätte es schon viel früher machen sollen .«
»Warum habt Ihr es nicht getan ?«
Rheinberg hatte gehofft, diese Frage umgehen zu können. Da war es praktisch, dass sie noch nicht frei, sondern in diesem Moment immer noch sein Besitz war: Er musste ihr gar keine Antwort geben.
Er
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