Kaisertag (German Edition)
noch aufrechterhalten.
»Dessen dürfen Herr Feldmarschall versichert sein. Ein veritables Meisterstück, war es doch nicht einfach, die maßgeblichen Köpfe unter den Chinesen erst ausfindig zu machen und dann zur Rebellion zu verleiten. Allein, letztendlich war uns Erfolg beschieden, und die Verehrung für das Militär ist daheim in Deutschland so enorm groß wie seit 1871 nicht mehr. Haben Herr Feldmarschall nun einen Eindruck von unseren Absichten und Aktivitäten gewinnen können?«
»Das kann man wohl sagen«, entgegnete Rommel. »Und wieso wünschen Sie und Ihre … Freunde, mich in Ihren Kreis aufzunehmen?«
»Weil Sie nun ein Held sind, Herr Feldmarschall. Unabhängig von ihrer künftigen Funktion innerhalb des Reichsheeres wird fortan alles, was sie äußern, Richtschnur für Hunderttausende sein. Für die kommenden Generationen Deutscher werden Sie eine Autorität darstellen, ganz gleich, zu welchem Thema Sie sich äußern. Daher brauchen wir Sie. Helfen Sie uns, die Köpfe der Menschen zu lenken, damit die Welt noch lange so bleibt, wie sie jetzt ist.«
Unvermittelt sprang Rommel vom Stuhl auf und brüllte den Oberst an: »Sie elender Abschaum!«
Bartz erschrak so sehr, dass sein feistes Gesicht wackelte und leichenblass wurde. Der Wutausbruch traf ihn völlig unvorbereitet. Verwirrt wich er vor dem auf ihn zukommenden Rommel zurück.
»Sie ekelhafter fetter Wurm! Ihre Komplizen haben also diesen Krieg angezettelt? Und Sie sind wohl stolz darauf? Mir wird speiübel! Sie sind eine Bande von Verbrechern, von Mördern! Alles, was ich jetzt weiß, werde ich melden. Ich werde dafür sorgen, dass Sie alle wegen Hochverrats füsiliert werden, verlassen Sie sich darauf!«
Bartz stieß mit dem Rücken gegen die Zeltwand. Er war noch immer bleich, doch der erste Schock hatte sich schon wieder verflüchtigt. Er sah Rommel geradewegs in die Augen und erwiderte mit höhnischem Trotz: »Melden wollen Sie es? Und wem? An wen Sie sich auch wenden, wir erfahren es sofort. Dann sind Sie ein toter Mann, ohne dass Sie damit etwas bewirkt hätten.«
In hilflosem Zorn ballte der Feldmarschall die Fäuste. »Gehen Sie mir aus den Augen!«, schrie er. »Raus! Verschwinden Sie!«
»Wie Sie wollen. Aber ganz gleich, was Sie von jetzt an tun – beeilen Sie sich lieber. Viel Zeit bleibt Ihnen nämlich nicht mehr. Sie wissen zu viel.«
Oberst Bartz setzte die Mütze wieder auf und verließ eilig das Zelt.
Rommel blieb allein zurück und starrte ins Leere.
Irgendwo peitschten einzelne ferne Schüsse durch die Nacht.
* * *
Erwin Rommel hustete heftig. Alle Augen richteten sich sofort besorgt auf ihn, einige der Umsitzenden wollten aufspringen und ihm zu Hilfe kommen.
»Sitzen bleiben«, keuchte der alte Feldmarschall heiser. »Es geht schon wieder. Ich bin nicht siebenundneunzig Jahre alt geworden, nur um an einem Hustenanfall zu sterben.« Seine Stimme klang brüchig wie altes Leder.
Er schluckte mehrmals, dann wandte er sich an Alexandra Dühring und Friedrich Prieß: »Nun wissen Sie also, wer die Puppenspieler sind und welches Ziel sie sich gesetzt haben.«
»Unfassbar!«, murmelte Alexandra. Es fiel ihr schwer, die Schilderung des Marschalls zu glauben. Aber nicht etwa, weil sie das alles für unmöglich gehalten hätte, sondern wegen der Konsequenzen, die sich daraus ergaben.
Friedrich, der nach seinen Erlebnissen im Forschungsinstitut schon mit einer großen Verschwörung gerechnet hatte, war weniger fassungslos; doch das wahre Ausmaß der Konspiration überwältigte auch ihn. Er war sich ganz sicher, dass Rommel die Wahrheit sagte. Lügner sind instinktiv bemüht, ihre Geschichten betont glaubwürdig und unspektakulär wirken zu lassen, das wusste er aus Erfahrung.
Keiner, der die Wahrheit verschleiern will, würde sich etwas ausdenken, das so fernab alles Normalem lag.
»Und dann?«, fragte der Detektiv. »Was passierte danach? Jetzt wussten die Puppenspieler doch, dass Sie ihr Geheimnis kannten.«
Verneinend bewegte Rommel die Hand.
»Sie wussten es nicht und wissen es bis heute nicht. Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass Oberst Bartz auf der Rückfahrt in einen Hinterhalt versprengter chinesischer Franctireure geraten und getötet worden war. Seine Mitverschwörer erfuhren also nie, dass er mich tatsächlich eingeweiht hatte, und ich verhielt mich so, als wäre es wirklich nie geschehen. Nach meiner Rückkehr aus Fernost habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten mild liberale Ansichten geäußert.
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