Kaisertag (German Edition)
wir keine Ahnung hatten. Abgesehen davon hielten wir Sie für wahnsinnig und waren fest davon überzeugt, Sie nie wiederzusehen. Doch es gelang Ihnen, uns in Erstaunen zu versetzen, Herr Prieß.«
Im letzten Satz klang Hochachtung an, doch Friedrich blieb weder Zeit, sich über diese Wertschätzung zu freuen, noch konnten er und Alexandra über alles nachdenken. Kaum hatte Paul von Rabenacker zu Ende gesprochen, da ließ Rommel sie schon wissen, dass nun sie am Zug waren.
»Wir haben Ihnen einen beträchtlichen Vertrauensvorschuss zugebilligt«, sagte er bestimmt, »nun ist es an Ihnen, uns zu berichten. Fangen Sie bitte an, und lassen Sie nach Möglichkeit nichts aus …«
»Erstaunlich«, bemerkte Rabenacker, der nochmals seine Notizen durchging. Alexandra und Prieß hatten ihre Erlebnisse der vergangenen Tage wahrheitsgemäß geschildert, sich dabei gegenseitig ergänzt und für einige Verblüffung gesorgt.
Dass sie ungewollt und durch Zufälle begünstigt in zwei Wochen mehr über die Puppenspieler herausfinden konnten als Rommels Gefolgsleute in vierzig Jahren, sorgte für ungläubiges Staunen und ein wenig Verstimmung.
»Wirklich ganz erstaunlich«, wiederholte der Oberst nochmals. »Sie haben Dinge erfahren, von denen wir nicht einmal zu träumen wagten.«
»Alleine die Namen!«, meinte die Frau am Ende des Tisches. Ihre reservierte Strenge war verflogen, enthusiastisch schwenkte sie die Brille in ihrer Hand. »Endlich haben unsere Gegner Gesichter bekommen! Nun wissen wir, mit wem wir es zu tun haben. Schatz, Poschau, von Zerflin, alles Personen, die wir nicht einmal entfernt in Verdacht hatten.«
Rabenacker schüttelte den Kopf. »Und Yüksel Pascha, mit dem ich noch vor Kurzem beim Manöver war. Wenn er geahnt hätte, wer da an seiner Seite stand …«
Senator Frahm räusperte sich vernehmlich und sagte dann mit seiner charakteristischen rauen Stimme: »Sicher ist es erfreulich, dass wir jetzt eine Reihe bedeutender Namen kennen. Aber wir haben nun auch Gewissheit über die Umstände von Diebnitz’ Tod und wissen zudem, dass die Puppenspieler für die allernächste Zukunft ein Unternehmen planen, dem sie herausragende Bedeutung beimessen. Vermutlich war es dieses Vorhaben, vor dem Oberst Diebnitz uns warnen wollte. Wir müssen alles daransetzen, herauszufinden, wofür der Codename Hamlet steht.«
Ein groß gewachsener Mann mit glänzender Glatze und dem unverwechselbaren Blick eines Spezialisten meldete sich zu Wort: »Wir haben schon gewisse Fingerzeige. Wenn Herr Prieß sich nicht verhört hat und dieser Major Sonnenbühl wirklich eine Lee-Enfield Empress erwähnte, dann ist das ein sehr deutlicher Hinweis. Es handelt sich dabei nämlich um ein handgefertigtes englisches Präzisionsgewehr, das nur an ausgewählte Elitescharfschützen der britischen Armee ausgegeben wird.«
»Ein Scharfschützengewehr?« Rommel horchte auf. »Wozu könnten die Verschwörer eine solche Waffe benötigen, wenn nicht für ein Attentat? Vielleicht, wie schon in Kronsforde, unter dem Deckmantel der dänischen Terroranschläge.«
Rabenacker stimmte dieser Überlegung zu, gab jedoch zu bedenken: »Ein Attentat, ja. Aber auf wen, wann, wo, zu welchem Zweck? Und wieso ausgerechnet mit einem so schwer zu beschaffenden britischen Gewehr? Die Mauser 62 unserer Scharfschützen ist sicher von ähnlich hoher Qualität und weitaus leichter zu bekommen.«
»Die Antwort haben Sie schon selber gegeben, Herr von Rabenacker«, bemerkte Frahm. »Die ›Freunde Jütlands‹ erhalten, das steht fest, britische Waffen. Dabei soll uns hier nicht interessieren, wer ihnen ihr Arsenal immer wieder ergänzt. Offensichtlich wollen sich die Puppenspieler diesen Umstand zunutze machen. Sie haben ja schon gezielt Öl ins Feuer der deutsch-britischen Beziehungen gegossen, wie wir inzwischen wissen. Wenn jetzt ein Attentat, welcher Art auch immer, mit einer extrem seltenen britischen Armeewaffe verübt würde, dann stünde für die deutsche Öffentlichkeit fest, dass London im Bunde mit Kopenhagen dahinterstecken muss. Ein gefährliches Spiel, und wir können bisher nicht einmal sagen, worin eigentlich sein Sinn besteht.«
Niemand widersprach dem Senator; aber es fand auch keiner eine Antwort auf die Fragen, die sich aus seinen Überlegungen ergaben, obwohl an Spekulationen und mehr oder weniger überzeugenden Ideen kein Mangel herrschte.
»Ich wechsle nur ungerne das Thema«, meinte Prieß, nachdem er sich eine Weile die ins Leere
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