Kaisertag (German Edition)
Dadurch wurde ich für die Puppenspieler uninteressant und sie sind nie wieder an mich herangetreten. Ich hatte mir noch in China geschworen, mich nur noch einer einzigen Aufgabe zu widmen: Ich wollte die Macht der Puppenspieler brechen. Diesen Vorsatz begann ich nun in die Tat umzusetzen. Ich sammelte vertrauenswürdige Menschen um mich, mit denen gemeinsam ich die Verschwörung bekämpfen wollte. Über die Schwierigkeiten dieses Unterfangens muss ich wohl nicht viele Worte verlieren. Wir haben längst nicht so viel Einfluss wie diese Verbrecher und müssen zudem mit äußerster Umsicht vorgehen. In über vier Jahrzehnten ist es uns nie gelungen, tiefer in den gut abgeschirmten Apparat der Konspiration vorzudringen, wir mussten uns damit begnügen, an der Peripherie tätig zu werden. Doch gelegentlich, ja sogar recht häufig konnten wir die Kreise der Puppenspieler empfindlich stören und manche ihrer Pläne vereiteln. Durch die Ungelegenheiten, die wir ihnen bereiten, wissen sie, dass es uns gibt, ohne unserer habhaft werden zu können. Dadurch haben sie auch die unangenehme Gewissheit, dass ihre Verschwörung nicht so geheim ist, wie sie sein sollte. Wir sind wie zwei Boxer, die in völliger Dunkelheit einander umtänzeln: Jeder weiß, der andere ist da, doch keiner kann zu einem gezielten Schlag ausholen. Jedenfalls war es bis vor Kurzem so …« Er hustete abermals heftig.
»Sie sollten sich schonen, Herr Feldmarschall«, riet ihm Oberst von Rabenacker eindringlich.
Rommel verzog ärgerlich das Gesicht. »Das haben mir schon fünf Ärzte gesagt, von denen inzwischen keiner mehr lebt. Und die Herren Doktoren haben sich sicher mehr geschont als ich mich.« Doch dann deutete er mit einem knappen Neigen des Kopfes an, dass Rabenacker statt seiner weitersprechen sollte.
»Gustav Diebnitz rief mich Anfang Mai an«, begann er, »und bat mich, zu ihm nach Hamburg zu kommen. Das war an sich nicht ungewöhnlich, ich war oft bei ihm zu Gast. Diesmal aber ersuchte er mich ausdrücklich, alleine zu kommen, was mich sehr wunderte. Und als ich ihn dann sah, ließ er – bildlich gesprochen – die Bombe platzen. ›Ich gehöre zu den Puppenspielern‹, sagte er, ›und ich weiß schon lange, dass du zu ihren Gegnern zählst, die sie Schatten nennen.‹ Er hatte es durch zahllose Beobachtungen und verschachtelte Schlussfolgerungen herausgefunden.«
»Er verstand sein Handwerk tatsächlich«, bemerkte Rommel, »daran kann kein Zweifel bestehen. Zu unserem Leidwesen hat er zu lange auf der falschen Seite gestanden. Aber nicht auszudenken, wie es uns wohl erst ergangen wäre, hätte er seine Hingabe an die Sache der Puppenspieler nicht verloren. Dieser Mann war auf seinem Gebiet brillant, er hätte uns wohl im Alleingang vernichten können. Ich habe Sie unterbrochen, Oberst Rabenacker, verzeihen Sie. Bitte, sprechen Sie doch weiter.«
»Natürlich, Herr Feldmarschall. Ich war in jenem Moment wie vor den Kopf geschlagen. Aber er meinte sogleich, ich solle mir keine Sorgen machen, da niemand außer ihm davon wisse und wir von ihm nichts zu befürchten haben. Er sagte, er sei schon lange nicht mehr von den Zielen und Methoden der Puppenspieler überzeugt und habe sich deswegen auch nicht verpflichtet gefühlt, etwas gegen uns zu unternehmen. Ferner behauptete er, vor Kurzem etwas erfahren zu haben, das ihm die letzten Illusionen nahm. Er sei nunmehr überzeugt, sagte er, dass man den Puppenspielern schnell Einhalt gebieten müsse, da sonst eine Katastrophe unausweichlich sei. Allerdings benötige er dazu meine Unterstützung. Er sei sich zwar absolut sicher, dass ich zu den Schatten zähle, aber sonst wisse er gar nichts über uns. Er gab an, Informationen zu besitzen, die unbedingt rasch in die richtigen Hände gelangen müssen, vorzugsweise in die unseres führenden Kopfes. Er bat mich, ein Treffen zu arrangieren. Ich misstraute Diebnitz selbstverständlich. Er hatte zugegeben, ein Puppenspieler zu sein, und obendrein war er ein Geheimdienstoffizier. Möglicherweise war alles nur ein Trick, um uns Schaden zuzufügen. Das sagte ich ihm auch. Um mich zu überzeugen, dass seine Absichten aufrichtig waren, entschloss er sich, einen Teil seines Wissens preiszugeben: Er offenbarte mir, dass im Physikalischen Forschungsinstitut in Lübeck die Atombomben entstehen und dass die gesamte Einrichtung sich praktisch unter der Kontrolle der Puppenspieler befinde. Die Brisanz dieser Informationen war mir auf der Stelle klar. Diebnitz schien
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