Kaisertag (German Edition)
laufenden Mutmaßungen angehört hatte, »aber ich muss wissen, ob ich mich darauf verlassen kann, dass Sie nichts gegen Yvonne Conway in die Wege leiten werden.«
Rommel zuckte leicht mit den Schultern. »Spione gehören zum normalen Schicksal eines Staates. Darum sollen sich andere kümmern. Unser Interesse gilt ausschließlich den viel gefährlicheren inneren Feinden des Reiches. Sie brauchen sich also um Miss Conway keine Sorgen zu machen, und das gilt übrigens auch für Karl Lämmle.«
»Dass ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, Lämmle könnte das Schreiben haben!«, grummelte Rabenacker voller Ärger über sein Versäumnis. »Wir haben uns überhaupt nicht um den Mann gekümmert und nicht einmal bemerkt, dass er untergetaucht war. Dabei wäre es doch das Nächstliegende gewesen, ihn zu suchen!«
»Unsere Gegenspieler waren ganz eindeutig auch nicht klüger«, unterbrach Rommel Rabenackers Selbstvorwürfe. »Wichtiger ist, dass wir das Schreiben letztendlich doch noch bekommen. Nichts könnte für uns wertvoller sein. Frau Dühring, Herr Prieß, ich möchte Sie bitten, von jetzt an mit uns zusammenzuarbeiten. Führen Sie Ihre Ermittlungen weiter, doch lassen Sie ab sofort besondere Vorsicht walten. Sie können über Herrn Senator Frahm jederzeit unauffällig in Kontakt zu uns treten, sollten Sie zu bedeutenden neuen Erkenntnissen gelangen. Werden Sie uns helfen?«
Friedrich musste nicht lange nachdenken. Er hatte genügend Gründe zuzustimmen: Die Erinnerung an das Blutbad in Kronsforde, die ihn immer wieder heimsuchte, besonders die albtraumhafte Momentaufnahme des jungen Mädchens mit der Papiergirlande, das von Geschossen zerrissen zu Boden stürzt. Sein Abscheu gegen die Puppenspieler, von denen er nun wusste, dass sie nicht einem Menschen, nicht zehn, sondern bereits Abertausenden den Tod gebracht hatten. Sein Hass gegen Sonnenbühl, der einer von ihnen war. Und natürlich sein persönliches Unglück, verursacht durch die künstlich am Leben erhaltenen, vergilbten Wertvorstellungen, die ihn vor das Ehrengericht seines Regiments gebracht hatten.
»Ja, Herr Feldmarschall«, antwortete er, ohne zu zögern und wie aus einem Munde zusammen mit Alexandra.
»Ich habe mich vorhin unmöglich aufgeführt«, sagte Alexandra zu Frahm, der sie und Prieß durch die nach modrigem Holz riechenden Flure des alten Landhauses zum wartenden Auto begleitete. »Wie konnte ich denn bloß glauben, Sie hätten etwas mit Mördern zu tun? Ich kenne Sie doch lange genug, ich hätte es besser wissen müssen. Werden Sie mir das je verzeihen?«
Der Senator vollführte eine beruhigende Geste mit der Hand. »Verehrte Frau Dühring, es gibt nichts, was ich Ihnen verzeihen müsste oder was Ihnen unangenehm zu sein brauchte. In Ihrer Situation war Ihr Verdacht verständlich und logisch. Und was die Menschenkenntnis angeht …« Er seufzte flach. »Gotthold Poschau, den Sie, Herr Prieß, im Guthaus sprechen hörten, ist einer meiner ältesten Freunde. Ich kannte ihn immer als einen grundehrlichen, sympathischen, liebenswerten Menschen. Sie sehen, wie trügerisch das Bild sein kann, das wir uns von unseren Zeitgenossen machen. Wäre es da nicht ebenso gut möglich gewesen, dass ich auf der anderen Seite stehe?«
Das wollte Alexandra nicht gelten lassen; Prieß jedoch wusste sehr wohl, wie recht der Senator damit hatte. In den Wild-West-Filmen fiel es selbst dem begriffsstutzigsten Zuschauer leicht, Gut von Böse zu unterscheiden, denn die Schurken trugen stets dunkle Hüte. Die Bösewichter in der wirklichen Welt waren längst nicht so einfach auszumachen, sie taten einem nicht den Gefallen, sich wie im Kino für jeden sichtbar zu erkennen zu geben. Durch seine Arbeit als Privatdetektiv war Friedrich Prieß im Laufe der Jahre Hunderten von Leuten begegnet, die ihren wahren Charakter verborgen hielten. Im Grunde hatte er diesen Menschen seinen Broterwerb zu verdanken; ein Detektiv lebte von der Heuchelei anderer. Oder besser gesagt, von den Momenten, in denen die Täuschung Risse bekam.
Der Borgward stand mit laufendem Motor vor dem Portal des Hauses in der Auffahrt. »Heinz wird Sie nach Lübeck zurückbringen«, sagte Frahm. »Sie können ihm auch das verschlüsselte Schreiben aushändigen. Und falls sich etwas ergeben sollte, von dem Sie uns in Kenntnis setzen möchten, wenden Sie sich einfach an mich. Niemand wird Verdacht schöpfen, wenn die Polizeipräsidentin mit einem Senator spricht. Übrigens habe ich Sie
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