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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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gefährliche Wissen ausgerechnet mit einer britischen Spionin teilen? Und was noch wichtiger ist – wieso erzählen Sie mir das alles?«
    »Dieses Treffen war meine Idee, aber ich habe mich natürlich vorher mit Senator Frahm abgesprochen. Wir haben uns entschlossen, Sie einzubeziehen, weil wir Ihre Hilfe brauchen. Natürlich werden wir alles daransetzen, den Scharfschützen zu finden, bevor er den Kaiser ermorden kann. Schaffen wir das, bricht der Plan der Puppenspieler zusammen, worauf sie natürlich nicht vorbereitet sind. Dann bestehen auch gute Chancen, dass ihnen in ihrer Verwirrung grobe Fehler unterlaufen, die ihnen zum endgültigen Verhängnis werden. Aber wenn es uns nicht gelingt, den Schützen unschädlich zu machen, wird Wilhelm V. irgendwann morgen sterben, ohne dass wir es verhindern können. Die Verschwörer bekommen ihren Krieg mit Dänemark, was wiederum England auf den Plan ruft. Eine englische Kriegserklärung muss um jeden Preis verhindert werden, sie wäre der Auslöser einer katastrophalen Kettenreaktion.«
    Yvonne Conway lehnte sich zurück und legte nachdenklich die Hände zusammen. »Wenn ich Sie richtig verstehe, erwarten Sie von mir, dass ich meinen – hm – Auftraggebern sage: ›Sir, morgen könnte vielleicht einer unserer Verbündeten von Deutschland überrollt werden. Aber das Vereinigte Königreich sollte sich da heraushalten und Dänemark seinem Schicksal überlassen.‹ Frau Dühring, denken Sie allen Ernstes, dass ich das tun würde? Und selbst wenn ich mich dazu bereit erkläre, meinen Sie, die Gentlemen in Whitehall geben auch nur einen Halfpenny darauf?«
    »Das weiß ich nicht, Miss Conway. Ich greife einfach nur nach einem der wenigen Stohhalme, um ein Desaster aufzuhalten.«
    Zum ersten Mal während des Gesprächs nahm die Engländerin ihre dunkle Brille ab und sah die Polizeipräsidentin direkt an. »Während meiner Ausbildung zur Geheimagentin habe ich mir die eiserne Regel einprägen müssen, misstrauisch gegenüber allem und jedem zu sein, was sich nicht auf unverrückbaren Fakten gründet. Ihrer Darstellung der Verschwörung Glauben zu schenken, ist eine Sache. Doch als solides Fundament kann man das beim besten Willen nicht bezeichnen.«
    Alexandra seufzte unhörbar, aber sie war nicht enttäuscht, denn sie hatte mit einer solchen Reaktion von Anfang an gerechnet. Sie wollte bereits aufstehen, als die Engländerin überraschend weitersprach:
    »Dennoch bin und bleibe ich in erster Linie Künstlerin. Und Künstler halten, ganz im Gegensatz zu Agenten, sehr viel von Intuition. Ich weiß einfach, dass Sie kein falsches Spiel mit mir treiben, Ihre Besorgnis ist echt. Darum werde ich mich mit London in Verbindung setzen. Aber erhoffen Sie sich nicht zu viel davon, Frau Dühring. Es ist Wochenende, und das weekend ist meinen Landsleuten heilig, wie Sie vielleicht wissen. Ob ich jemanden erreichen kann, ist äußerst ungewiss. Und selbst wenn es mir gelingen sollte, zu einem meiner Vorgesetzten Kontakt aufzunehmen, weiß ich nicht, ob sich die britische Regierung von meinem Rat beeinflussen lässt.«
    Alexandra wollte Yvonne Conway danken, doch in diesem Moment trat der Geschäftsführer, gefolgt von einem Kellner, der einen Radioempfänger trug, mit wehenden Frackschößen aus dem Inneren des Cafés ins Freie.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren«, verkündete er aufgeregt, »es ist angekündigt worden, dass der Reichskriegsminister in wenigen Augenblicken im Rundfunk sprechen wird und dass er Dinge von größter Tragweite mitzuteilen hat.«
    Sofort richteten sich alle Augen auf ihn. Derweil hatte der Kellner das Radio auf dem Besteckwagen platziert und mit Verlängerungskabeln an Steckdose und Antenne angeschlossen. Er drehte an einem der glänzend schwarzen Bakelitknöpfe; kaum wahrnehmbar im hellen Licht der Mittagssonne leuchtete die Senderskala auf. Dann waren die Radioröhren warm, und eine Fanfare tönte aus dem Lautsprecher, bevor Kriegsminister von Veldt sich mit predigtartig bedächtiger Stimme an das Volk wandte:
    »Ich spreche in dieser Stunde zu Ihnen, den Männern und Frauen in ganz Deutschland, um Sie wissen zu lassen, dass Entscheidungen getroffen wurden, die das Deutsche Reich vor weiteren Akten des Terrors schützen und den Urhebern jener schrecklichen Verbrechen zeigen sollen, dass unser Land nicht gewillt ist, dergleichen länger tatenlos hinzunehmen. Heute Morgen gab Seine Majestät der Kaiser nach eingehender Beratung mit dem Generalstab und der

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