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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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bringen konnten, geschweige denn, wie sie das alles später als dänischen Terroranschlag ausgeben wollen …«
    Prieß riss plötzlich die Augen weit auf. »Die Kronprinzessin!«
    »Die Kronprinzessin? Aber die Tante des Kaisers ist heute gar nicht … good Lord! Dass ich nicht daran gedacht habe … that dirigible , der Zeppelin in der Fliegerschule Blankensee!«
    Es waren keine weiteren Erklärungen nötig; beide wussten, dass sie das gleiche Szenario vor Augen hatten. Eine Handvoll Soldaten der Sonderbrigade in der Rolle dänischer ›Freunde Jütlands‹ könnte mit Leichtigkeit die Kronprinzessin Sophie Viktoria auf dem kaum gesicherten Flugplatz in ihre Gewalt bringen und mit der Atombombe an Bord in die Luft bringen, noch bevor jemand erfasste, was dort geschah. Und wenn der alte Luftkreuzer dann zusammen mit dem Zeppelingeschwader über dem Hanseplatz erschien, würde niemand Verdacht schöpfen. Alle mussten glauben, es sei Teil der Luftparade. Bis die Bombe aus dem Schacht fiel.
    »Wir müssen sofort die Fliegerschule anrufen! Kommen Sie, helfen Sie mir das Telefon suchen!« Aufgeregt wollte die Engländerin auf den Korridor hinausstürmen, aber diesmal war es Prieß, der sie zurückhielt.
    »Das hat doch keinen Zweck«, sagte der Detektiv. »Wenn wir dort anrufen und diese Räuberpistole auftischen, nimmt uns das niemand ab. Wahrscheinlich legt der Telefonist gleich wieder auf, weil er’s für einen geschmacklosen Witz hält. Oder würden Sie anders reagieren, wenn Ihnen ein Wildfremder am Telefon mit so einer Geschichte kommen will?«
    Yvonne Conway erkannte, dass Prieß damit recht hatte. »Nein, natürlich nicht«, bestätigte sie. »Wir müssen etwas anderes … ja, so wird es gehen: Sie fahren zum Flugplatz und überbringen die Warnung persönlich! Sie tragen eine Offiziersuniform, das verleiht Ihnen Glaubwürdigkeit. Und ich werde, so schnell es geht, zum Hanseplatz zurückkehren, um Frau Dühring oder Oberst Rabenacker ins Bild zu setzen.«
    Sie griff in die Handtasche, zog die Pistole wieder hervor und reichte sie Prieß. »Nehmen Sie. Es könnte gut sein, dass Sie sie brauchen werden.«
    Friedrich war sich nicht sicher, ob er die Waffe nehmen sollte. Er hatte seit einer Ewigkeit keine geladene Pistole mehr in der Hand gehabt. Privatdetektive brauchten, wenn es gefährlich wurde, im Normalfall keine Waffen, sondern flinke Beine. Doch dann sagte er sich, dass diese Situation alles andere als normal war, nahm die Pistole und ließ sie in die Tasche des Waffenrocks gleiten.
    »Beeilen wir uns«, sagte er knapp und verließ sehr schnell die Küche.
      
    Maximilian Sonnenbühl setzte die Schirmmütze mit den goldenen Isignien der Luftflotte auf und prüfte mit einem Blick in den hohen Spiegel, der an der groben Backsteinwand lehnte, ob der Eindruck überzeugend war. Und er konnte zufrieden sein. Die Maskerade war vollkommen, die hellblaue Uniform saß perfekt und verwandelte den Major in einen Luftflottenkapitän wie aus Knötels Handbuch der Uniformkunde .
    Als er sich herumdrehte und auf die niedrige Tür zuging, die aus der dumpf riechenden Abstellkammer hinausführte, blieb er noch einmal kurz stehen und betrachtete Ernst Beinfeldt. Der Professor lag auf dem rissigen Boden aus gestampftem Lehm und starrte aus weit aufgerissenen, glasigen Augen an die Decke. Sein Mund stand als hässlicher asymmetrischer Spalt halb offen, die Brille war ihm von der Nase gerutscht und neben seinem Kopf auf einem dreckigen Stapel leerer Jutesäcke gelandet. Um ein kleines rundes Loch neben dem altmodischen schmalen Revers seines Jacketts hatten sich der graue Stoff und das weiße Hemd darunter mit Blut vollgesogen, das sich als unregelmäßiger Fleck über die Brust ausbreitete.
    Alter Vollidiot! , dachte Sonnenbühl. Hast du wirklich gedacht, ich lasse dich einfach so mit Fritz alleine und sperre nicht die Ohren auf, wenn du mit ihm ein Schwätzchen hältst? So blöd müsste ich sein.
    Der Major hatte sich noch während der Fahrt überlegt, auf welche Weise er den Professor am besten beseitigen sollte. Er musste sterben, das stand fest. Beinfeldt war ein Feind der Sache, dazu noch ein besonders heimtückischer. Und er war ein Spinner. Natürlich würde Deutschland in dem kommenden Krieg triumphal siegen, daran konnte nur jemand zweifeln, der nicht klar im Kopf war. Außerdem war Professor Beinfeldt dumm genug gewesen, sich entbehrlich zu machen, indem er sein Wissen weitergab. Siebzehn andere Kernphysiker standen

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