Kaisertag (German Edition)
austauschbaren, zum Erbrechen langweiligen Besuchsprogramme aus? Neugierig war er eigentlich nur darauf, zum ersten Mal seit seiner Krönung den Grafen von Kai-Feng wiederzutreffen; er wollte zu gerne erfahren, weshalb sich das alte Schlachtross Rommel so kurzfristig entschlossen hatte, ausgerechnet diesem Provinzfest beizuwohnen.
»Wie Majestät sich überzeugen können, lieben die Menschen in diesem Teil unseres Vaterlandes Eure Majestät ganz besonders«, bemerkte Bürgermeister Pagels, der ebenfalls der Menge zuwinkte, sich dabei aber bescheiden zurückhielt. »Darf ich Eurer Majestät Augenmerk auf das Reiterstandbild Wilhelms I. lenken, das wir sogleich passieren werden? Es wurde aus Anlass des heutigen Tages festlich dekoriert.«
Der Kaiser schaute hinüber zu der überlebensgroßen grünlichen Bronzestatue seines Vorfahren hoch zu Ross, der umkränzt von Girlanden und Blumenranken auf einem hohen Steinsockel dahinritt.
»Oh ja«, entgegnete der junge Monarch, »sehr hübsch. Wirklich.«
Yvonne Conway riss das Steuer herum und lenkte den Bentley auf eine Grünfläche, wobei sie ein Schild umfuhr, auf dem das Betreten des Rasens bei Strafe untersagt wurde. Sie sprang aus dem Wagen und wollte zum Portal des Hanseplatzes hinüberlaufen, als Oberst Rabenacker aus der Menschenmenge heranhumpelte.
»Gut, dass Sie wieder da sind, Miss Conway«, sagte er. »Ich wollte gerade zu Frau Dühring. Wir haben den Schützen immer noch nicht gefunden, hoffentlich hatte wenigstens Herr Prieß beim Professor Erfolg.«
Die Engländerin packte den Oberst ohne Vorwarnung am Arm und zog ihn mit sich. »Vergessen Sie den Professor! Alles ist noch viel schlimmer, als wir dachten!«
»Schiff bereit zum Aufstieg, Herr Major«, verkündete der Oberleutnant, als Maximilian Sonnenbühl in die Führergondel stieg.
»Bestens«, erwiderte Sonnenbühl. »Teilen Sie der Flugaufsicht mit, dass wir starten.«
Der Funker im hinteren Teil der Kommandobrücke bestätigte den Befehl und gab eine kurze Meldung an den Kontrollturm durch.
Gleich darauf knackte der Lautsprecher, und der diensthabende Flugleitoffizier antwortete: »Verstanden, L 299. Sie haben Erlaubnis aufzusteigen. Guten Flug.«
Immer noch stand Friedrich Prieß regungslos im Frachtraum. Er hatte Angst, dass die kleinste Bewegung, das leiseste Geräusch sein Todesurteil sein könnte, und traute sich kaum zu atmen.
Plötzlich hörte er ein vibrierendes, raues Surren, begleitet von einem schwerfälligen Ächzen. Die Elektromotoren, mit denen das Fallreep eingezogen wurde, waren abrupt zum Leben erwacht; knarrende Seilzüge hoben die Metalltreppe an. Prieß wollte noch hinausspringen; aber er war zu langsam, die Öffnung hatte sich bereits zu einem schmalen Spalt verengt. Dann schloss sich die Klappe mit der mechanischen Falttreppe ganz, und die automatischen Verriegelungen rasteten ein. Der letzte Rest Tageslicht war jetzt aus dem Laderaum verschwunden, nur einige in weiten Abständen angebrachte Glühbirnen hinter trübem Milchglas verhinderten, dass vollkommene Finsternis herrschte.
Ein Knopfdruck reichte aus, damit die Bolzen der Kupplung an der Nase des Luftschiffes aufsprangen und die Verbindung zum Ankermast gelöst wurde. Der schwerelose Gigant, jetzt nicht mehr an die Erde gefesselt, stieg in die Höhe. Als die Kronprinzessin Sophie Viktoria vierzig Meter über dem Boden schwebte, sprangen die Dieselmotoren in den Antriebsgondeln an. Erst langsam, dann immer schneller drehten sich die fünf Meter hohen Propeller. Die Ruder an den Schwanzflossen, jedes einzelne so hoch wie ein mehrstöckiges Haus, bewegten sich aus der Ruhestellung in neue Positionen und lenkten den Zeppelin in einer engen Rechtswendung steil aufwärts.
Der Oberleutnant hatte das Seitenruder in der Spitze der Führergondel übernommen, ein anderer Soldat bediente das seitlich montierte, matt glänzende Aluminiumrad der Höhensteuerung.
»Bringen Sie uns auf fünfhundert Meter, und setzen Sie Kurs auf unsere Zielkoordinaten«, wies Sonnenbühl die Männer an den Rudern an.
»Jawohl, Herr Major!«, antworteten sie fast synchron.
Prieß benötigte keine Fenster, um es zu merken. Er fühlte auch so, dass der Luftkreuzer schnell und in einem steilen Winkel aufstieg. Er spürte den Druck in den Ohren und die Neigung des Laufstegs unter seinen Füßen, während er sich durch den spärlich beleuchteten Gang vortastete, umgeben von den drahtverspannten prallen Gaszellen aus
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