Kaisertag (German Edition)
»wie Herr Major wünschen.« Dann erhielt er auch schon von einem der Soldaten ein Handzeichen, dass nun alle Säcke aufgeladen waren. Er legte den ersten Gang ein und fuhr weiter zum nächsten Block.
Genervt zog Sonnenbühl die Augenbrauen in die Höhe. »Da kannst du mal sehen, um was für elende Kleinigkeiten ich mich hier teilweise zu kümmern habe, Fritz. Fällt alles in das Ressort Sicherheit. Dass Oberst Diebnitz daran nie verzweifelt ist … Wo wir gerade davon sprechen, du bist ja wegen Diebnitz hier, richtig? Der General sagte mir, dass du den Grund für seinen Selbstmord suchst. Und, schon weitergekommen?«
Fast hätte Prieß über die lockere Stimmung des Wiedersehens vergessen, wie vorsichtig er mit allem sein musste, was er sagte, selbst seinem alten Freund gegenüber. Er war kurz davor, die wirklichen Ergebnisse der letzten Tage unbedacht auszuplaudern; erst im allerletzten Moment konnte er sich bremsen und antwortete:
»Ja … ja, es gibt Neuigkeiten. Ich habe meine Nachforschungen abgeschlossen. Gustav Diebnitz war in eine sehr hässliche Erpressungsgeschichte verwickelt, und als er keinen Ausweg mehr sah, hat er sich das Leben genommen. Durch Zufall habe ich erfahren, dass die Lübecker Polizei bei einem verunglückten Motorradfahrer einen Brief gefunden hat, der das ganz eindeutig beweist. Also ist meine Aufgabe hier erledigt.«
Sonnenbühl schaute niedergeschlagen zu Boden. »Traurig, sehr traurig. Einer der besten Leute aller Geheimdienste des Reiches. Na, dann wird die RMA-Zentrale in Berlin schon einen Bericht von der Polizei bekommen haben, also erfahre ich sicher bald die Einzelheiten. Spätestens dann, wenn sie uns Diebnitz’ Nachfolger schicken. Mal sehen, wie viele Tage ich noch hinter seinem Schreibtisch sitzen darf.«
Sie gingen gerade am Uhrturm der ehemaligen Heilanstalt vorüber, als hoch oben die Glocke einmal schlug. Der vibrierende Klang schreckte einige Tauben auf, die faul vor den Schallöffnungen gedöst hatten; mit hektischem Flügelschlagen flatterten sie davon.
»Das finde ich übrigens interessant. Du bist bei der Sonderbrigade und warst Stellvertreter eines RMA-Offiziers. Wie geht das? Hätte Diebnitz nicht einen Stellvertreter haben müssen, der auch zum Reichsamt für Militärische Aufklärung gehört?«, wollte Prieß wissen.
»Nicht zwangsweise. Zunächst mal – das darfst du ruhig wissen – war ich einige Jahre im Sicherheitsbüro der Sonderbrigade, ich kenne das Geschäft also ganz gut. Außerdem brauchte Diebnitz sowieso einen Verbindungsoffizier zur Sonderbrigade, und ich konnte diese Aufgabe gleich mit übernehmen. War doch ein praktisches Arrangement, oder?«
»Ziemlich clever, stimmt. Die Idee hätte von dir sein können, Max.«
»War sie auch«, erwiderte Sonnenbühl mit einem unbescheidenen Lächeln. »Scheint so, als wärst du als Detektiv dein Geld wirklich wert, dir kann man nichts vormachen.«
»Danke für die Blumen … nun erzähl mir aber mal, warum du dich eigentlich zur Sonderbrigade hast versetzen lassen?«
Der Major machte eine korrigierende Geste. »Fritz, zur Sonderbrigade lässt man sich nicht versetzen. Das läuft so: Wenn Soldaten wegen überdurchschnittlicher Fähigkeiten oder besonderer Talente auffallen, werden sie gezielt angesprochen und gefragt, ob sie nicht zu uns kommen wollen. Wenn sie zustimmen, haben die Kommandeure ihrer Einheiten keine Möglichkeit, dieser Versetzung zu widersprechen. So kommt die Sonderbrigade zu ihren Männern. Bei mir lief das genauso, nachdem ich bei den richtigen Leuten Aufmerksamkeit erregt hatte.«
Prieß grinste. »Junge, nimm’s mir bitte nicht übel … aber wieso hatten die an dir bloß Interesse? Schön, du warst ein wirklich guter Secondeleutnant. Aber so überragend, dass sie sich ausgerechnet um dich gerissen hätten …? Beim Sport warst du nie toll, und beim Pistolenschießen sogar noch schlechter als ich. Ich dachte, die können hier nur stahlharte Übersoldaten brauchen. Also, was hat dich denn so besonders ausgezeichnet?«
»Na, mein überdurchschnittliches Pflichtgefühl. Oder sag bloß, du weißt das gar nicht …«
Der Major verstummte abrupt. Sein plötzliches Schweigen und der Ausdruck von Unsicherheit, der sich unvermittelt in seine Gesichtszüge eingeschlichen hatte, gefielen Prieß überhaupt nicht. Eine nebelhafte Ahnung, dass ihm etwas Unerfreuliches bevorstand, stieg in ihm auf.
»Was wolltest du sagen, Max? Sprich doch weiter«, beharrte er.
»Also, dass dir das
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