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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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nie jemand gesagt hat … ich hab doch das Ehrengericht unseres Regiments wissen lassen, dass deine Alexandra studiert.«
    Prieß blieb stehen und starrte Sonnenbühl an. Es dauerte einen Augenblick, bis sein Verstand erfassen konnte, was sein Freund damit gesagt hatte, doch seine Emotionen reagierten ohne Verzögerung. Ihm war, als hätte sich ein Schwall eiskalten Wassers über ihn ergossen. Mit versteinerter Miene und stumpfer Stimme sagte er: »Das ist nicht dein Ernst!«
    Major Sonnenbühls gelöster Tonfall zeigte, dass er Prieß’ Stimmungsumschwung nicht bemerkt hatte. »Ich musste schließlich verhindern, dass die Regeln unseres Standes gebrochen werden. Natürlich konnte ich nicht einfach tatenlos mit ansehen, wie du dir deine Karriere ruinierst, ohne es zu merken. Da blieb mir gar nichts anderes übrig, als das Ehrengericht von dieser Sache in Kenntnis zu setzen, habe ich nicht recht, Fritz?«
    Dass Sonnenbühl von der Denunziation sprach, als hätte es sich um einen weiteren netten Jugendscherz oder sogar um eine gute Tat gehandelt, brachte Prieß zum Sieden. »Und darauf bist du wohl auch noch stolz, was?«, sagte er bedrohlich langsam und mit einem unheimlichen grollenden Unterton.
    Diese Signale konnte Sonnenbühl nicht mehr ignorieren. Er wich instinktiv ein Stück zurück und redete in viel vorsichtigerem Tonfall weiter: »Stolz trifft es nicht ganz … ich wusste, dass es richtig war. Du hast doch sicher mitbekommen, was aus dieser Alexandra geworden ist – Polizeichefin hier in Lübeck. Eine Frau! Das ist doch schlimm. Frauen wie die gibt es schon viel zu viele, die untergraben die Ordnung unserer Gesellschaft. Dagegen muss man doch was tun. Und überhaupt, Offiziere mit berufstätigen Ehefrauen … das ist einfach widerlich, das kommt heutzutage auch schon viel zu häufig vor. Und es wären noch mehr, gäbe es da nicht Leute wie mich. Sei doch ehrlich, wenn dieser Verfall unserer Werte noch weiter geht, haben wir irgendwann noch Juden als Offiziere bei der Garde …«
    Prieß gab sich immer weniger Mühe, seinen Zorn zu verstecken. »Du Arschloch! Hast du das Diebnitz ins Gesicht gesagt? Dessen Frau arbeitete schließlich ja auch. Ach nein, bei dem wirst du sicher kräftig geschleimt haben. Aber mich hast du Schwein ans Messer geliefert! Du dreckiger Mistsack hast meine Verlobung, meine Karriere und mein Leben ruiniert!«
    »Du vergisst dich«, erwiderte Sonnenbühl hart. »Du kannst dich nicht mit Oberst Diebnitz vergleichen. Und soweit ich weiß, arbeitet seine Frau nicht, sondern besitzt ein eigenes Geschäft. Abgesehen davon solltest du froh sein, diese Suffragettenschlampe Alexandra losgeworden zu sein, die ist doch nicht normal. Konnte ich wissen, dass du Vollidiot vor dem Ehrengericht absolut bescheuert reagieren würdest, statt wie ein normaler Mensch einfach deine Verlobte zum Teufel zu jagen? Du bist doch selber an allem schuld, du blöder Versager!«
    In diesem Moment zerbarst in Prieß der Damm seiner Selbstbeherrschung. Die ganze Wut, die er seit zwei Jahrzehnten mit sich herumtrug, hatte nun ein Ziel gefunden, auf das sie sich konzentrieren konnte: den Mann, der ihm sein Leben geraubt hatte. Schlagartig kannte er nur noch einen Gedanken: Er wollte sich rächen.
    »Du Scheißkerl!«, brüllte Friedrich Prieß, ließ den Arm nach vorne schnellen und rammte dem Major die Faust ins Gesicht. Der Schlag traf Sonnenbühl unvorbereitet; er taumelte rückwärts, verlor das Gleichgewicht und stürzte auf das Straßenpflaster. Rasend vor Hass stürzte Prieß sich auf ihn, aber der Major reagierte rasch und konnte ihn mit dem Bein zurückstoßen. Das verschaffte ihm die Sekunde, die er brauchte, um vom Boden aufzuspringen. Der Schwung von Prieß’ blindwütiger Attacke war verflogen, und das machte Sonnenbühl sich zunutze. Mit wenigen Griffen zwang er den unverständlich fluchenden und ziellos um sich schlagenden Detektiv in den Schwitzkasten. Im nächsten Moment hätte er ihn durch gezielte Hiebe niedergestreckt, wären nicht zwei Soldaten herbeigelaufen gekommen, alarmiert durch den Lärm.
    »Schafft mir diesen Zivilisten aus den Augen!«, keuchte der Major aufgebracht. »Weg mit dem Kerl! Runter mit ihm vom Gelände! Und sorgt dafür, dass er mir nie wieder unter die Augen kommt!«
    Sonnenbühl stieß Prieß barsch von sich, sofort richteten die Soldaten ihre Maschinenpistolen auf ihn. »Los, vorwärts!«, bellte einer von ihnen.
    Prieß ließ sich wegführen. Im Gehen drehte er den Kopf

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