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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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auseinandertreiben können, die fünf Dänen an Straßenlaternen aufhängen wollte. Wer Hansen oder Olsen hieß, musste um sein Leben fürchten.
    »Und alle rufen nach Krieg. Nein, längst nicht alle. Aber einige brüllen so laut, dass es so wirkt, als würde das ganze Land aus vollem Halse Nach Kopenhagen! schreien. Und Berlin gießt mit markigen Worten und Drohungen gegen Dänemark auch noch kräftig Öl ins Feuer. Man könnte denken, die Leute sind alle miteinander verrückt geworden. Ach, wo wir gerade von Verrücktheiten sprechen …«
    Sie erhob sich, trat an den Tisch und rollte die Karten aus, ohne Prieß einen Moment aus den Augen zu lassen.
    »Dass du Yvonne Conway nicht schaden willst, kann ich ja noch verstehen. Aber ich ahne, was du mit diesen Plänen vorhast. Und wenn du meine Meinung hören willst …«
    »Besten Dank«, meinte Prieß und kam ebenfalls an den Tisch, »aber ausnahmsweise möchte ich deine Ansicht nicht hören.«
    »Ich sage sie dir trotzdem: Du bist lebensmüde. Wenn du glaubst, du kannst durch dieses Rohr einfach so in das Institut hineinspazieren, eine kleine Besichtigungstour machen und dann wieder herausschleichen, hat dein Kopf gestern wohl doch mehr als nur eine Beule abbekommen.«
    Prieß konnte ihr nicht einmal verübeln, dass sie seine Absicht für Irrsinn hielt. Er hatte sich schon unzählige Male Zutritt in alle möglichen Häuser verschafft, von der noblen Villa in Blankenese bis zum Stundenhotel auf St. Pauli, wenn es für einen Auftrag erforderlich gewesen war. Doch in eine streng bewachte militärische Anlage einzudringen, war etwas völlig anderes. Bislang hatte er höchstens befürchten müssen, von einem beim Fremdgehen ertappten und daher ungehaltenen Ehemann oder von einem Zuhälter mit einem Knüppel erwischt zu werden. Aber auf dem Gelände des Physikalischen Forschungsinstituts patrouillierten Wachen mit Maschinenpistolen.
    Vermutlich lagen die Chancen, das Gelände unbemerkt betreten und auch wieder verlassen zu können, nahezu bei null. Doch darüber durfte er nicht nachdenken. Er hatte Hauptmann Weinbergs letzte Worte so aufgefasst, dass sich die Verantwortlichen für Diebnitz’ Tod am Mittwochabend im alten Gutshaus auf dem Institutsgelände treffen würden, und er musste um jeden Preis herausfinden, wer diese Unbekannten waren. Vielleicht handelte es sich um Offiziere in wichtigen Positionen, die als Spione für ein anderes Land arbeiteten. Das hätte auch erklärt, wieso sie sich ausgerechnet dort versammeln konnten.
    Alexandra beschwerte die Ecken der Pläne mit Büchern und schüttelte den Kopf. »Ich werde es dir wohl nicht ausreden können. Und ich habe auch keine bessere Idee. Also muss ich sehen, dass ich wenigstens meinen Teil dazu beitrage, dich unbeschadet durch dieses selbstmörderische Vorhaben zu bringen. Aber denk daran, auf was für Leute du dort treffen wirst. Sie haben wohl Diebnitz umgebracht, als er ihnen auf die Spur gekommen war, dann haben sie Stölle ermordet, danach Hauptmann Weinberg und zehn weitere Menschen. Und um ein Haar wärst du auch eines ihrer Opfer geworden. Diese Leute ziehen eine Blutspur nach sich. Vergiss das nicht, wenn du da reingehst.«
    Das Läuten der Türglocke ein Stockwerk tiefer schnitt ihr das Wort ab. »Wenn das Journalisten sind, die mit noch mehr idiotischen Fragen über mich herfallen wollen, vergesse ich mich«, zischte Alexandra verärgert. »Einen Augenblick, Fritz, ich bin gleich wieder zurück.«
    Sie verließ das Zimmer und ging schnell die Treppe hinab.
    Als sie die Haustür öffnete, stand Yvonne Conway vor ihr. Die Engländerin trug ein betrübtes Gesicht zur Schau und sagte, sie sei gekommen, um ihr Beileid zum Tod von Alexandra Dührings Freund auszusprechen.
    Die Polizeipräsidentin hatte die Engländerin kaum hereingebeten, da stürmte Friedrich Prieß die Treppe herunter.
    Miss Conway kreischte beim Anblick des Totgeglaubten entsetzt auf.
    »Halt sie fest«, rief Prieß Alexandra zu, »pass auf, dass sie nicht entkommt!«
    Kreidebleich zuckte Yvonne Conway zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. »Das … das ist unmöglich«, stotterte sie. »Ich habe … es war doch Ihr Name in der Zeitung … in allen Zeitungen … bei den Toten. Und … und in Ihrem Hotel …«
    »Ich lebe aber noch«, sagte Prieß scharf, als er auf die immer noch erschrocken um Atem ringende Frau zukam. »Und wissen Sie, was mir eben eingefallen ist, als ich Ihre Stimme gehört habe? Dass Sie ja auch einen

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