Kaktus zum Valentinstag
machte dort laut Medienberichten der »Sendero Luminoso« die Gegend unsicher, eine maoistische Organisation, die bürgerkriegsartige Zustände verbreitete. Trotzdem breche ich auf, um Cuzco, die einstige Hauptstadt der Inkas im peruanischen Andenhochland, mit dem Zug zu erreichen.
Ob ich denn keine Angst haben würde, angegriffen und überfallen zu werden, fragt man mich, als ich mir in Puno am Titicaca-See das Zugticket besorge. Ich hätte so einen eigenartigen Blick und Leuten,die Angst haben, könne man die Strecke nicht empfehlen. Komisch. Ich weiß nicht, woran man erkennen könnte, ob jemand Angst hat. Kann man das? Ich habe keine! Also los, auf nach Cuzco!
So genieße ich das Holpern, Ruckeln und Klackern des Zuges. Und die tollen Berge der Anden. Die Landschaft ist überwältigend. Die anderen Menschen im Zug nehme ich nur als Kulisse wahr. Meistens papageienbunte, fassrunde, gezopfte Indios. So erreiche ich Cuzco, die Stadt der dicksteinigen Mauern und der regenbogenbunten Fahne, ohne irgendwelche Probleme.
Cuzco wirkt menschenleer. Herrlich. Ein paar wenige weitere Weltenbummler haben sich auch hierher gewagt. Man trifft sich zu einem Informationsaustausch im »Chez Maggy« – der wohl besten Pizzeria in ganz Cuzco.
Es scheint problemlos möglich zu sein, auch noch bis nach Machu Picchu, jener sagenhaften Inkastadt im gebirgigen Dschungel der Anden, weiterzufahren. So erreiche ich gemeinsam mit wenigen anderen Globetrottern und vielen rockbunten Indios das Dorf Aguas Calientes im tiefschluchtigen Dschungeltal des Rio Urubamba.
Von dort geht es gleich weiter mit einem Minibus eine schön serpentinige Straße rauf nach Machu Picchu. Nachdem ich mir einen ersten Eindruck verschafft habe, gehe ich den Inkaweg ein Stück weit rauf, um einen Überblick über die gesamte Anlage zu bekommen.
Es sind nur ganz wenige Touristen da. Und als auch diese schließlich mit einem kleinen Bus wieder den Serpentinenweg runter ins Urubamba-Tal fahren, verbleibe ich gefühlt ganz allein in der Anlage.
Wo ich auch immer hingehe, ich sehe keinen einzigen Menschen mehr hier oben in Machu Picchu. Auf einmal höre ich ganz leise und von Ferne, dann immer näher kommend Panflötenklänge. Ein magischer Moment! Dann biegt plötzlich ein panflötender Indio um eine Mauerecke. Als er immer weiter auf mich zukommt, spielt er das weltbekannte Lied El Condor Pasa für mich. Ich muss an Martina denken!
Wieder einmal liefert mir das Universum die geradezu perfekt passende Musik zum eigenen Erleben. El Condor Pasa , es ist zudem eines meiner Lieblingslieder. Es ist emotional durchdringend wie kaum ein anderes Lied.
El Condor Pasa und der Indio mit der Panflöte in der erhabenen Stille von Machu Picchu werden zum Botschafter eines Landes, dessen Existenz viele Menschen nicht für möglich gehalten haben. Denn esgebe kein Land hinter so viel Wasser – weil keine Liebe eine solche Trennung überstehen würde. Ich spüre, dass es bei mir anders ist.
Ich lasse die Sonne noch untergehen, dann erst laufe ich den serpentinigen Weg durch den Dschungel talwärts nach Aguas Calientes, um mir eine Bleibe zu suchen. Zwei Tage später verabschieden mich die Einwohner des kleinen Dorfes im Urubamba-Tal mit einem mehrfachen: »Muchas Gracias. Thank you for visiting Peru!«
Und für mich ist es die Stelle, an der ich erstmalig den Wind vom jenseitigen Ufer des Ozeans spüre. Denn ich bewege mich fortan in Richtung Heimat. So gelingt es mir schließlich, die Sehnsucht des in mir steckenden Entdeckers vollständig sättigend zu befriedigen. Die ganze Panamericana zwischen Rio de Janeiro und Südperu kann ich einsammeln, bevor das Ende des unermesslichen Ozeans sich durch die Reise zum Flughafen in Santiago de Chile ankündigt.
Am jenseitigen Ufer
Hamburg-Fuhlsbüttel, 19. September 1992, ein hellrötlicher Tag. Endlich erreiche ich befriedigt das jenseitige Ufer des großen, unermesslichen Wassers. Mein Gnubbelchen steht wartend hinter der Glasscheibe. So drücken wir uns gegenseitig die Nasen platt, bis der Weg durch die gläserne Mauer endlich frei ist.
Minutenlang verharren wir still und fest umschlungen in der Empfangshalle, bevor es im roten Polo nach Kiel geht. Ich habe das jenseitige Land erreicht. Zu Hause zeigt sich schnell, dass tatsächlich ausgerechnet die Trennung uns zusammengeführt hat. Viele Kleinigkeiten sind vergessen, die positiven Erinnerungen behalten die Oberhand.
Ich habe eine »second chance«, Anfängerfehler nicht zu
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