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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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nicht.«
    »Aber ich brauche das Zimmer noch länger. Ich erwarte einen Gast.«
    »Noch einen? Mein Gott! Wo ist ihr Mann? Ich meine den ersten.«
    »Der ist abgereist.«
    »Ich weiß nicht.« Dem Jungen kamen Bedenken.
    Jack hielt ihm einen Zehner hin.
    »Das ist mehr, als du in einem ganzen Monat verdienst.«
    »… Was soll ich tun?«
    »Irgendwann nach fünf kommt noch ein Mann und fragt nach Sally Price. Du musst ihn selbst hochbringen, kein anderer.«
    Man konnte sehen, wie seine einsame graue Zelle arbeitete.
    »Wird’s wieder zu einer Schlägerei kommen?«
    »Damit rechne ich eher nicht.«
    »Mit der letzten haben Sie auch nicht gerechnet, oder?«
    »Das war was anderes. Du kriegst schon keinen Ärger.«
    Der Page nahm das Geld. »Aber ich war nie hier, kapiert? Und ich habe Sie noch nie gesehen. Und ich habe Ihnen nichts über irgendein Zimmer erzählt. Gar nichts.«
    »Natürlich nicht«, beschwichtigte ihn Jack in freundlichem Ton. »Das ist unser Geschäft, basta. Nur zwischen dir und mir.«
    Der Junge schob eine Locke zurück unter seine Kappe.
    »In Ordnung.«
    »Perfekt«, sagte Jack gut gelaunt. »Also der Mann heißt Goodman. Alex Goodman. Aber bring einfach jeden hoch, der nach Sally Price fragt.«
    »Goodman.« Der Page nickte und schaute düster drein. »Verstanden.«
    »Wenn du irgendwas von ihm hörst oder siehst, bugsier ihn hier zur mir ins Zimmer.«
    »Ich will noch einen Zwanziger, wenn ich ihn hochbringe.«
    »Einverstanden.«
    Jack sah dem Pagen nach, wie er den Korridor entlangging. Er hoffte, sich die Loyalität des kleinen Schwachkopfs erkauft zu haben, wenigstens für den einen Abend. Das war’s eigentlich. Mehr war nicht zu tun. Jack schloss die Tür.
    Einfach abwarten und die Ohren spitzen.
    Etwa eine Viertelstunde später ertappte sich Jack dabei, wie er auf dem Chippendale-Sessel einnickte.
    »Verdammt.«
    Seit dem Krieg fiel es ihm schwer, wach zu bleiben. Vor lauter Elend und Krankheiten und der zermürbenden Kälte bekam man im Schützengraben nie genug Schlaf. Mehr als einmal hatte Jack beim Wachestehen das Bewusstsein verloren, aber das war kein Schlaf gewesen.
    Das Einzige, was ihn wach halten konnte, waren Pokern und Whiskey, und jetzt saß er in diesem piekfeinen Hotel ganz ohne Zockerei und Fusel, aber mit dem erdrückenden Verlangen nach Schlaf. Wie lange würde er denn noch auf Alex Goodman warten müssen? Jack holte seine Uhr heraus. Um fünf Uhr anmelden, hieß die Anweisung in Goodmans Brief, aber das bedeutete nicht, dass er um fünf kommen würde. Er könnte später ankommen. Viel später vielleicht.
    Auch ohne in einen Spiegel zu schauen, wusste Jack, dass er furchtbar aussah. Er war verletzt und erschöpft. Er musste sich ein bisschen ausruhen. Nur ein Nickerchen, sagte er sich. Falls Goodman auftauchte, würde der Page ihn wecken. Jack stützte den kaputten Stuhl mit einem Beistelltischchen ab und zog einen bequem aussehenden Polsterhocker heran. Das würde reichen. Er legte seine Jacke ab, lockerte seinen noch immer steifen Kragen und legte sich hin.
    Er hatte schon auf härteren Lagern geschlafen, das stand fest, denn im Schützengraben gab es keine Polstermöbel. Am meisten Angst hatte er als Sanitäter davor gehabt, in einem dieser dreckigen Löcher lebendig begraben und unter Artilleriebeschuss verschüttet zu werden und seine Lungen mit Schlamm und Schlick vollzusaugen. Eine einzelne Explosion – und dann langsam ersticken. Aus dem Schlaf gerissen werden, nur um auf einem Bett aus Munitionskisten und zerlumpten Decken zu krepieren.
    Oder durch eine Überschwemmung. Zwei Tage Tauwetter reichten, um jeden Tunnel oder Schützengraben zum Einsturz zu bringen. Im Frühling konnte ein einziger Regenschauer eine Sturzflut auslösen und dann ersoffen die Leute wie die Ratten. Ums Überleben kämpfend, krochen die Männer über Leichen. Soldaten kletterten über ihre Kameraden, um nach oben zu kommen. Siekrallten sich an die Knochen und das verwesende Fleisch der verstreuten Leichen und ein Arm oder Bein musste als Sprosse einer grausigen Leiter herhalten.
    Hatte man das Glück rauszukommen, erwarteten einen die Heckenschützen. Maschinengewehre.
    Jack konnte vor sich eine Wand aus Wasser sehen, die sich durch den Schützengraben schob. Und da ist ein Arm, mumifiziert, wie ein Kleiderhaken, der aus der bröckelnden Wand des Grabens herausragt. Er springt, um die angebotene Hand zu ergreifen.
    Er streckt seine Hand aus. Er packt den Arm.
    Und zieht Sally Price aus

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