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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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breiten Fensterbank nahm. Sein Sohn Martin, in Sepiatönen gerahmt. Dunkles Haar wie das seiner Mutter. Ein hübscher Junge. Wie ein Filmstar.
    Mamere zündete sich an der knisternden Flamme des Kochers eine Zigarette an.
    Jack stellte das Foto vorsichtig auf die Fensterbank zurück.
    »Du hast vierhundert in der Haushaltskasse.« Er deutete mit dem Kinn auf die Tabaksdose, von der sie annahm, dass ihr Vermögen dort so sicher sei wie in einem Tresor. »Ich habe den Rest genommen.«
    »Reicht das Geld?« Sie stieß Rauch aus.
    »Ich habe die Fahrkarte, außerdem ein bisschen von dem Bargeld, das ich behalten habe.«
    »Du meinst, das du gestohlen hast.«
    »Von einem Dieb zu stehlen, ist kein Stehlen. Besonders von so einem Dreckskerl wie Bladehorn.«
    »Gestohlen ist gestohlen.«
    Jack fuhr, ohne etwas darauf zu erwidern, mit seiner Bestandsaufnahme fort. Drei Anzüge, von denen einer nach der Messerstecherei noch mehr Flicken aufwies als die anderen. Hemden und Unterhemden. Ein Reisenecessaire. Als er die Tasche durchwühlte, sah er auch den Schlagring, massiv und glänzend. Das Messer erfühlte er mit den Fingern, denn mit dem knorrigen Griff war er seit Langem vertraut.
    »Ich will, dass du und Martin die Stadt verlassen. Nur bis ich wieder da bin.«
    »Warum?« Sie wurde noch steifer. »Warum sollten wir die Stadt verlassen?«
    Jack verfiel in einfaches Französisch: »(Damit niemand ihm was tut).«
    Sie antwortete ebenso: »(Du hast also deinen eigenen Sohn in Gefahr gebracht?)«
    » Oui , Mamere .«
    Der Kosename stimmte sie ein wenig milder.
    »(Bist du in Gefahr?)«
    »Pass einfach auf Martin auf«, antwortete er auf Englisch.
    Sie musste einen Moment nachdenken.
    »François’ Familie«, sagte sie schließlich. »In Cleveland. Weißt du noch, wo das war? Kennst du die Adresse?«
    »Ja.«
    François war der ältere Bruder seiner Frau. Er hatte jahrelang nicht mit ihm geredet.
    Mamere stieß eine Wolke billigen Tabakqualm aus. »Sie gehören auch zu unserer Familie.«
    Seine Kehle schnürte sich plötzlich zu. Jack schluckte.
    »Ich schicke ein Telegramm, wenn ich Neuigkeiten habe. Versuch nicht, mich zu erreichen. Schreib nichts auf.«
    Jack warf sich die Reisetasche über die Schulter und setzte sich den Fedora auf.
    »Wenn Martin aus der Schule kommt, dann sag ihm … sag ihm …«
    »Ich sag’s ihm«, versprach die Alte und wandte sich ab.

KAPITEL SECHS
    Für dreiundsiebzig Dollar konnte man mit dem Schlafwagen von Cincinnati nach Tampa fahren. Erster Klasse. Jack stieg in den Louisville-and-Nashville-Zug, der um sieben Uhr losfuhr. Damit hatte er mehr als genug Zeit auf der Strecke nach Atlanta. Zu viel Zeit zum Nachdenken. Zu viel Zeit für Kartenspiel und Whiskey. Jack versuchte, sich wach zu halten und an das Foto zu denken, das Foto von Martin, … von Gilette.
    Die Landschaft, die an seinem Pullman-Waggon vorbeizog, wurde immer fremdartiger. Er hatte das Gefühl, dass die Eisenräder ihn immer weiter von seinem konstanten Kurs abbrachten, als die sanften Hänge des Ohio River den blauen Bergen wichen, die sich bei Sonnenuntergang schließlich in eine flache, ockerfarbene Talebene verwandelten.
    Es war keinerlei Industrie zu sehen, als sich der Zug Atlanta näherte. Die Stadtlandschaften des Mittelwestens waren schon lange den Weizenfeldern, Kleinstädten und jetzt Flecken von Ackerland gewichen, die immer wieder von kleinen, dreckigen Ortschaften gesäumt wurden, an deren Rändern Neger wohnten. Überall Neger. In den Bahnhöfen. An Wassergräben. An Jacks Reiseweg in den Süden schienen überall farbige Männer mit Angelruten Spalier zu stehen und im Trüben zu fischen.
    Er hatte immer gedacht, dass nirgendwo so extreme Luftfeuchtigkeit herrschen könnte wie in Cincinnati, aber je tiefer sein Zug ihn in den Süden brachte, desto schwüler und schwitziger wurde es. Die Spitzengardinen in seinem Abteil hingen schlaff wie Putzlappen herunter. Das Moos an den Virginia-Eichen draußen sah aus wie die Bärte von Wasserleichen.
    Jack nahm seinen Kragen ab. Er wollte einen Drink. Er wollte spielen. Er fing an, sich nach Gesellschaft zu sehnen, nach irgendeiner Art Austausch mit seinen Mitreisenden, einer Unterhaltung, um sich die Zeit zu vertreiben. Aber sein Verlangen widersprach den strengen Anforderungen seiner Aufgabe, nämlich nüchtern, wachsam und unauffällig zu bleiben, und darum musste er sich von den anderen Passagieren fernhalten. Es gab so viele Versuchungen. Jemand hatte ein Grammophon mit

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