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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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Krankenstation betreten.
    Man konnte die Verwundeten riechen, lange bevor man sie sah. Widerlicher Eitergestank vermischte sich mit dem beißenden Geruch von Spiritus. Erschreckend wenige Ärzte taten hier Dienst und flatterten ab und zu in ihren weißen Kitteln vorbei. Aber die allgegenwärtigen Krankenschwestern versorgten täglich, manchmal stündlich die Wunden der Patienten und taten praktisch die Arbeit von Chirurgen. Die Schwestern behandelten Starrkrampf, Wundbrand und Bauchfellentzündung. Alles von angebrochenen Kniescheiben bis hin zu Löchern im Schädel. Jack war nicht verletzt. Er war zusammen mit einem halben Dutzend anderer Männer dazu abkommandiert worden, einen Lastwagen mit für das Lazarett bestimmtem Nachschub zu beschützen. Die Laster waren immer deutlich mit dem allseits bekannten Kreuz gekennzeichnet, aber Vorräte waren auf beiden Seiten knapp und die Laster wurden oft überfallen, sogar von französischen Zivilisten.
    Die Effizienz des Stellungskriegs ließ sich in Tonnen von Material zur Behandlung der Verletzten messen. Verbandsmull wurde inPackungen von neunhundert Metern geliefert, außerdem Schalen, Handschuhe und Platinnadeln. Und natürlich Morphin. Die Versorgungslinien wurden jedoch ständig unterbrochen. Selbst Lazarettschiffe entgingen den feindlichen Angriffen nicht, und so fand Jack die Schwestern vor, wie sie mit Schweiß und Exkrementen verunreinigte Bandagen in Kesseln voll kochendem Wasser zu sterilisieren versuchten.
    Unaufhörlich wurden Verwundete wie Holzklötze von Lastwagen und Tragen abgeladen und Ärzte mussten in Sekundenschnelle die Überlebenschancen eines jeden beurteilen – dem einen konnte nicht mehr geholfen werden, den anderen brachte man eilig zur sofortigen Amputation weg. Die Übrigen mussten in Schmerzen ausharren, manchmal in Todesqualen, und ihr einziger Trost waren Erinnerungen oder Glauben oder, am verlässlichsten, der menschliche Kontakt mit den größtenteils französischen Krankenschwestern, die ihre Sechzehnstundenschichten nur mit Suppe und Brot durchhielten.
    Unzählige Soldaten, Amerikaner, Franzosen und bisweilen sogar Deutsche, schmachteten in Pritschen, die Reih’ um Reih’ unter der Kathedralendecke standen, von der schlaff die Standarten der Alliierten herunterhingen. Das Lazarett war gespenstisch still. Von den Feldbetten kamen keine Klagen. Nur das gedämpfte Husten derer, die noch in der Lage waren, Rachen und Bronchien freizumachen. Der Auswurf der abgesonderten Tuberkulosepatienten. Männer murmelten in verschiedenen Sprachen, diktierten Briefe oder starben. Die, die bald entlassen werden sollten, lasen ihre Post oder spielten Karten. Manchmal sah man, wie ein Mann Malzmilch trank oder eine der seltenen Orangen schälte. Oder einen, der über einer verwahrten Zeitung oder Zeitschrift saß oder natürlich über Briefen von zu Hause.
    »Hier drüben.«
    Jack hörte seine Zukünftige, bevor er sie sah. Sie war zierlich, selbst für eine Französin. Eine birnenförmige Figur. Die Haare unter der spitzen, gestärkten Haube wie ein Zwirnknäuel verheddert. Aber es waren die Augen. Grün wie das Grün, das sich in einemsanft plätschernden Bach widerspiegelt, der durch einen prächtigen Wald fließt. Smaragdgrün.
    Ihr Patient brabbelte in einer Sprache, die Jack nicht einordnen konnte. Er war Soldat, das war offensichtlich, in Laken und Verbände eingewickelt und mit bandwurmartigen Schläuchen, die eine Lunge dränierten. Ein Bein war amputiert und der Stumpf nässte. Der Soldat umklammerte einen Orden wie einen Rosenkranz. Ein Stück Messing an einem zerfetzten Band mit einem erhabenen Stern.
    »Sie können mir helfen.« Sie sprach in passablem Englisch mit Jack. Es war keine Bitte.
    »Ist er ein Gefangener?«, hatte Jack gefragt.
    »Nein, Araber. Er wurde hier sterbend zurückgelassen, aber ich glaube, ich habe ihn durchgebracht.«
    Sie forderte Jack auf, sich die Hände zu waschen. »Reichen Sie mir die Instrumente, wenn ich es sage.« Und eh er sichs versah, war sie in den Eingeweiden des Mannes und zog Stoff- und Gewebefetzen heraus.
    »Oh Gott.« Jack versuchte, seinen Brechreiz zu unterdrücken.
    »Am Anfang war’s schlimmer, nicht wahr, mein muselmanischer Freund?«
    Der Mann knurrte irgendwas.
    »Der ist aber gut gelaunt.«
    »Zuerst wollte er gar nicht mit mir reden«, sagte sie. »Die trauen uns Franzosen nicht.«
    »Und doch kämpfen sie für Sie?«
    »Sie kämpfen einfach gern.«
    »Brauchen Sie noch irgendwas, bevor

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