Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)
er deswegen sterben?
Und mit wem hatte sich Luna im Hotel getroffen? War es ein Stadtrat, der sich sein Bestechungsgeld abholte, oder der neue Schmiergeldverteiler von Kaleidoscope?
Die Sonne war schon längst untergegangen, als Jack schließlich aus den Federn kroch. Die Zeit rannte ihm davon. Die Artisten würden um diese Zeit im Spielzelt versammelt sein. Um die Antworten zu bekommen, die er brauchte, musste er ein Risiko eingehen.
Als Jack das Zelt betrat, war es voller Freaks, die das zwischen zwei Stangen gespannte Bettlaken größtenteils ignorierten. Ein flackernder Lichtstrahl und knisterndes Zelluloid warfen gekräuselte Schwarz-Weiß-Bilder auf die behelfsmäßige Leinwand, und Marlene Dietrich räkelte sich verführerisch unterm Zeltdach. Der blaue Engel . Jack kannte den Film. Aber die Freaks interessierten sich nur für ihr Craps-Spiel. Penguin, Giant und Half Track drängten sich um eine Decke. Friederich der Unvergleichliche hatteseine Schubkarre beiseitegestellt und saß auf seinem Hodensack gegenüber Pinhead und den Damier-Brüdern, die noch ihre Verkleidung als wilde Männer aus Borneo trugen.
Der Einzige, der nicht im Bann des Würfelspiels stand, war der räudige Köter der Freaks.
»Lass das, Boomer.« Auf dem Weg zum Spieltisch schob Jack die Schnauze des Hundes von seinem Schritt weg.
»Könnt ihr einen Mitspieler gebrauchen?« Jack zeigte seine Rolle Scheine.
»Klar.« Tommy Speck lächelte. »Nichts macht mehr Spaß, als einem Arbeiter das Geld aus der Tasche zu ziehen!«
Der Spruch erntete jede Menge Gelächter. Jemand hatte Fusel mitgebracht. Als der Krug zu ihm kam, nahm Jack einen auffällig großen Schluck.
»Dann mal los, Tiger!« Cassandra schien sich an diesem Abend gute Chancen auszurechnen.
Jack breitete seine Scheine achtlos aus.
»Dann lass mal rollen.«
Er gewann direkt einen kleinen Pot. Dann verlor er den Gewinn wieder, jedes Mal einen Vierteldollar und an verschiedene Mitspieler. Er verteilte sein Geld gleichmäßig, und nach einer Stunde waren alle ziemlich gut gelaunt. Es wurde viel gescherzt und Jack verstand nicht immer alles. Augenzwinkern und Anspielungen.
Ständig zu verlieren war nicht besonders schwer. Spieler, die verlieren, sind immer gern gesehen, und er hatte, weiß Gott, Übung darin. Jack hatte fast seinen ganzen Lohn verspielt, als er wieder an der Reihe war.
»Schlangenaugen.« Er sah Cassandra direkt ins Gesicht und würfelte.
Und verlor.
»Habe ich gewonnen?« Pinhead schien ganz verdutzt über sein Glück. »Tommy, habe ich gewonnen?«
»Ja, ja, du Schwachkopf«, meckerte Half Track. »Jetzt halt die Klappe.«
»Ich bin erledigt, Leute.«
Jack schob sein restliches Geld zu Pinheads Pot hinüber.
»Dange«, sagte der ganz lieb.
Half Track schüttelte mit dem Kopf. »Der Junge kann nicht mal seinen Namen schreiben, aber sahnt hier ab.«
»Da war Fortuna im Spiel«, versicherte ihr Jack.
»Versuchen wir’s mal mit sieben.«
Er würfelte noch einmal.
»Hab ich gewoooonnnen?« Pinhead schlug seine Hände zusammen.
»Ich patsche den Jungen mit meinen Flossen noch windelweich«, drohte Penguin.
»Ich helfe dir«, sagte Tommy und alle grölten vor Lachen.
Jack lachte mit. Dann griff er unbeholfen nach dem Krug.
»Half Track, sag mal, die anderen Arbeiter, zocken die auch gern?«
»Na, klar.«
»Und Dobbs auch?«
»Ja, klar, der …«
Totenstille. Nur der fallende Würfel war zu hören. Pinhead sah verwirrt in die Runde.
»Hab iiiech gewonnen?«
Half Track antwortete nicht.
»Also …« Jack stöpselte den Krug zu. »Offenbar hat jemand hier Mr. Dobbs gekannt. Oder sollte ich besser Alex Goodman sagen?«
»Du gibst wohl nie auf, was?«, sagte Tommy wütend.
»Nicht, wenn ich das Gefühl habe, ich werde vergackeiert«, schoss Jack zurück.
»Was für einen Unterschied macht das schon?« Penguin rutschte verlegen hin und her. »Dobbs, Goodman … Niemand hier verwendet seinen richtigen Namen. Und das ist auch allen egal.«
»Euch scheint es aber nicht egal zu sein«, antwortete Jack. »Euch scheint es überhaupt nicht egal zu sein. Sonst würdet ihr es ja wohl nicht vor mir verheimlichen.«
Half Track zog sich hoch, um Jack am Hemd zu packen.
»Lass es gut sein, Jack!« Sie sprach jedes Wort einzeln aus: »Lass …!
Es …! Gut …! Sein …!«
Sie fiel fast um, als sie ihn losließ. Jack streckte seine Hand aus, um sie zu stützen.
»Fass mich nicht an!«, schrie sie und dann: »Komm, Pinhead.«
»Hab ich
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