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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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Frühstück.
    Als Mark hereinkam, fiel mir auf, dass er sich schon immer die besseren Anzüge hatte leisten können. Wir hatten ein paar Jahre gemeinsam die Schulbank gedrückt, und schon damals hatte er zu denen gehört, die vor den Klassenarbeiten lernten und dann trotzdem betuppten, was das Zeug hielt. Er grüßte und bestellte Kaffee.
    »Ich weiß nicht, ob ich hierbei richtig liege«, sagte er und legte eine Akte auf den Tisch, »vielleicht täusche ich mich auch, aber du musst etwas für mich überprüfen.«
    Es ging um einen seiner Mandanten, einen sechsundzwanzigjährigen Türken, der von Einbrüchen lebte. Vor vier Wochen war er in türkische Wohnungen eingestiegen, als die Familien in der Moschee das Zuckerfest feierten. Das Heikle an der Geschichte: Genau an dem Morgen war aus einem der Häuser eine junge Frau verschwunden. Ihr Blut war überall in der Wohnung verteilt gewesen, von ihr selbst fehlte jede Spur. Marks Mandant saß jetzt wegen Mordverdachts.
    »Wie ist die Polizei auf ihn gekommen?«, fragte ich.
    »Sie haben ihn zwei Wochen später erwischt, als er Schmuck aus dem Bruch verkaufen wollte. Seine DNS ist an einigen Gegenständen gesichert worden. Aber das ist noch nicht alles. Einen Tag nach dem Verschwinden der Frau hat man auf einen anonymen Hinweis hin ihre blutige Kleidung am Ufer der Versetalsperre gefunden. Gleich daneben ein paar nicht zu identifizierende Reifenspuren.«
    »Warum blieb die Frau zu Hause, wenn die ganze Familie in der Moschee war?«
    »Sie fühlte sich nicht wohl an dem Morgen und wollte Lokum zubereiten, so ein Zuckerzeug, das an dem Tag alle zum Fest essen.« Aus der Akte holte er Fotos von der Küche, in der jemand das türkische Zuckerzeug zubereitet hatte und in der überall Blut verschmiert war.
    »Und was sagt dein Mandant dazu?«
    »Hasan sagt, dass er damit nichts zu tun hat. Er ist eingestiegen, hat das Blut gesehen und ist sofort wieder abgehauen. Und ich glaube ihm. Er ist ein kleiner Dieb, aber kein Mörder. Nur mit dem falschen Richter ist es nicht ausgeschlossen, dass sie ihm das Ding anhängen können. Er wäre nicht der Erste, den man nur aufgrund windiger Indizien fünfzehn Jahre in den Bau schickt.«
    »Was ist mein Part dabei?«
    Er schlug die Akte auf.
    »Bring mir irgendwas, das seine Version beweist.«
    Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg in den Knast, um selbst mit Hasan Demir zu reden. Informationen aus erster Hand waren durch nichts zu ersetzen.
    Hasan war ein schmaler Bursche mit Haaren, die so schwarz waren, dass sie fast blau schimmerten. Mark hatte mich angekündigt, trotzdem lag Misstrauen in seinem Blick.
    »In wie vielen Wohnungen waren Sie an diesem Morgen?«, fragte ich ihn irgendwann.
    Er sah mich an und schwieg.
    »Ich bin kein Bulle, Hasan!«, sagte ich mit aller Überzeugung, die ich zu bieten hatte. »Ich will Ihnen helfen. Von mir erfährt niemand etwas.«
    »In vier«, sagte er nach einer Weile, ohne dass sich in seinem Blick etwas verändert hätte.
    »Und warum an diesem Morgen?«
    »Ich kenn es aus meiner Kindheit, das Zuckerfest ist sehr wichtig für gläubige Moslems. Es ist das Ende des Ramadan und dauert mehrere Tage. Am ersten Tag gehen alle in die Moschee und hinterher zum Friedhof und lesen für die Verstorbenen aus dem Koran. Da sind die Wohnungen meist leer.«
    »Was ist an dem Morgen passiert?«
    Er sah vor sich auf den Tisch. »Ich bin im Keller eingestiegen. Auf dem Weg nach oben hörte ich, dass noch jemand im Haus war. Die Stimme einer Frau, sie schien zu telefonieren. Fast wäre ich abgehauen, aber irgendwann hörte ich eine Tür. Danach war es still. Ich bin nach oben in die Wohnung … und da war dann dieses verdammte Blut in der Küche.
    »Und es war niemand mehr da?«, fragte ich.
    »Nein, niemand.«
    »Was passierte weiter?«
    »Ich hab mir den Schmuck aus dem Schlafzimmer geholt und bin sofort weg.«
    »Woher wusstest du, wo der war?«
    Sein Blick bekam etwas Mitleidig-Herablassendes. »Sie glauben gar nicht, wie fantasielos die Menschen sind.«
    Mark hatte recht, der Bursche wirkte glaubhaft.
    Als Nächstes stand die Familie der verschwundenen Frau auf meiner Liste. Die Özcans hatten ein gut gehendes Lebensmittelgeschäft in der Nähe des Kluser Platzes und wohnten in der Werdohler Straße.
    Aslan Özcan war das Familienoberhaupt und führte mich ins Wohnzimmer, nachdem ich mich vorgestellt hatte. Er hatte weißes Haar und gutmütige Augen.
    Sie seien verzweifelt, sagte er, und sie hätten

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