Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
anderen, dass sie mit ihm durchgebrannt ist.«
Ich weiß, wo sie ist, dachte ich.
Onkel Peter erkannte mich sofort, obwohl er mich nicht sah. Ich sprach immer noch sehr bayerisch, auch wenn ich schon drei Wochen in Werne war. »Was willst du denn beichten, Hermann?«, sagte er durch das vergitterte Fenster. Da erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Also fast. Das mit Erwins Eingraben ließ ich weg, das hätte er nicht verstanden. Als ich fertig war, fragte Onkel Peter, ob er denn der Polizei einen Tipp geben dürfe. »Aber nur, wenn du nichts von mir sagst.« Das versprach er.
An unserem letzten Ferientag in Werne sind wir alle mit Bernhard hinter dem Sarg seiner Mutter hergegangen. Er war ganz grau im Gesicht und sah aus wie ein alter Mann. Sein Vater war da schon im Gefängnis. Der hatte gar nicht verstanden, wofür er bestraft werden sollte. Schließlich hatte er doch genau gesehen, dass seine Frau auf der Kirmes mit einem anderen rummachte. So stand es jedenfalls in der Zeitung. Als Bernhard mit einer kleinen Schaufel Erde ins offene Grab warf, musste ich auf einmal furchtbar heulen. Aber nicht wegen ihm oder seiner Mutter, sondern weil Erwin meine Hand nahm und ich spürte, wie er zitterte.
Für die Rückreise mit der Bahn wurde mir wieder ein Schild um den Hals gehängt. Auf dem stand: Hermann und Erwin werden am Hauptbahnhof München abgeholt. Auch diesmal musste ich bald pieseln, gab aber vorher meinem Bruder das Schild.
Unsere Eltern freuten sich, dass wir wieder zu Hause waren. Als sie sahen, dass wir viel weniger stritten, versprachen sie, uns auch in den nächsten Sommerferien nach Werne zu schicken. »Da merkt man doch den guten Einfluss«, sagte mein Vater. »So ein Pfarrer ist einfach ein Vorbild für einen Buben.«
»Genau«, sagte ich.
Beim Thema Vorbild fällt mir noch mein Nennopa Rudi ein. Der ist nicht lange nach meinen ersten Ferien in Werne in einen Kiosk eingebrochen, hat die Schnapsvorräte geklaut, sie ausgesoffen, sich ins Bett gelegt und ist gestorben. Schuld daran war seine Schwester. Die war nämlich bei meiner Mutter aufgetaucht und hatte sie gebeten, Rudi keinen Underberg mehr zu schenken. Der sei nicht gut für sein Magengeschwür.
»Aber wenn er doch im Krieg so Schreckliches durchgemacht hat«, hatte meine Mutter protestiert.
Da hatte die Schwester zu lachen angefangen und gar nicht mehr aufgehört. »Der Rudi im Krieg? Den haben doch nicht mal die Nazis gewollt mit seinem Klumpfuß. Dabei wäre er so gern dabei gewesen.« – So war das mit meinen Vorbildern Onkel Peter und Opa Rudi, mit meinem Bruder und mit der schönen Stadt Werne.
Ramadan
Das Ramadanfest, auch Zuckerfest oder Bayram genannt, ist das Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadan, des neunten Monats im islamischen Mondkalender. Bezogen auf den islamischen Kalender sind die Termine des Ramadans und des Zuckerfestes feste Feiertage, nach dem gregorianischen Kalender fallen sie jedoch jedes Jahr auf ein anderes Datum. So wird das dreitätige Zuckerfest 2012 in den meisten Gemeinden vom 19. bis zum 21. August gefeiert, 2013 dann Anfang August und 2014 Ende Juli.
Norbert Horst
Lüdenscheider Blutopfer
Glaubte man an Statistiken, zeigte sich Lüdenscheid an diesem Morgen von seiner untypischen Seite. Ich sah von meinem Bürofenster im ersten Stock auf den Rosengarten, wo die Sonne mit den Zweigen der Rosskastanien Schattenspiele veranstaltete. Auf den Bänken gegenüber dem Brauhaus Schillerbad gaben ein paar junge Mütter ihrem Nachwuchs Auslauf, ein Rentner sah ihnen dabei zu.
Der Juli war mau gewesen, der August grausam und der September fing auch nicht besser an. In den letzten Tagen hatte ich für ein Metall verarbeitendes Unternehmen aus der Region eine krankgeschriebene Führungskraft beim Golfspielen in Schalksmühle erwischt, das war der einzige Auftrag der letzten Woche gewesen.
Im Eiscafé an der Ecke Jockuschstraße wischte ein Kellner die Tische ab, als das Telefon klingelte.
Am anderen Ende der Leitung war Mark Beier, Rechtsanwalt in einer gut gehenden Sozietät und immer für einen Auftrag gut. Dieses Mal ging es um eine eigenartige Geschichte, wie er sagte.
Wir verabredeten uns in einem Café am Rathausplatz.
Beim Verlassen des Büros fiel mir auf, dass der kleine Spiegel mit dem Firmenmotto ein wenig Schlagseite hatte. Ich brachte Der Wahrheit verpflichtet wieder ins Lot und machte mich auf den Weg.
Im Extrablatt saßen die üblichen Schulschwänzer und Rentner beim zweiten
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