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Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Kali Darad - Königin der Arena (German Edition)

Titel: Kali Darad - Königin der Arena (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Martin
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trotzdem die Hände und flüsterte heiser dem rasenden Raubtier zu: »Sachte, Mädchen. Ganz sachte.«
    Die Harpyie fauchte ihn mit gefletschten Zähnen lange und böse an, bevor sie ihre Klingen aus dem Pferd riss und sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete. Zwei Schritt hoch ragte der personifizierte Terror mit vollständig aufgefächertem Schopf und abgespreizten Federn auf den Schultern über dem Kadaver auf, sein nächstes Opfer fest vor Augen. Ihre Brust hob und senkte sich in den Gezeiten ihres blutroten Zorns, während sich ihre Hände bei jedem ihrer tiefen Atemzüge schlossen und wieder öffneten. Ihre verkrampften Züge sprachen Bände über den Kampf, der in ihrem Inneren tobte. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Der Drang zu töten zerrte an ihr wie ein Bluthund an seiner Kette. Ihr nächstes Opfer, wehrlos und schwach, war keine zwanzig Schritt von ihr entfernt. Nur wenige Augenblicke, in denen jegliche Flucht vergebens war.
    Ihr Blick wanderte von den rollenden Augen des Tieres, über die stoßweise bebende Brust des Mannes, bis in sein kreidebleiches Gesicht. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und ließ seine Haare in seinem Gesicht kleben. Seine Lippen bewegten sich, formten Worte, die im Tosen des Flusses, den er Prun genannt hatte, unverstanden untergingen. Sie begegnete seinem Blick und... musste verwirrt feststellen, dass in dem Moment, wo sie die Furcht in seinen Augen sah - eine Furcht, die anders war, als nur die Furcht vor einem tödlichen Gegner, eine Furcht, die einen nur dann ergreift, wenn sich jemand, der einem nahe steht, plötzlich, jeglicher Menschlichkeit beraubt, gegen einen wendet -, ihren blutigen Zorn aus ihr herausrinnen ließ, als hätte ihr jemand die Pulsadern geöffnet. Der rote Schleier vor ihren Augen lichtete sich, ihre Atmung wurde flacher, und Schultern und Schwingen sanken langsam herab. Und durch die abebbende Strömung ihres Blutrauschs drang, gleich dem Fluss zu ihrer Linken, ein großer kalter Felsen und legte sich schwer und erdrückend auf ihre Brust.
    Sie brauchte einen Moment, um jenes beklemmende Gefühl zu erkennen: Reue! Zum ersten Mal in ihrem Leben tat ihr etwas leid.
    Und so, wie sie wieder zur Ruhe kam, beruhigte sich auch das Pferd wieder, bis sich schließlich Barde und Harpyie ungestört auf Augenhöhe gegenüberstanden.
    Etliche Herzschläge vergingen, bis Taros Goll den Mut fand, ihr etwas zuzurufen. Er war immer noch schockiert von dem Gemetzel und das einzige, was ihm dazu einfiel war: »Ein bisschen übertrieben, findest du nicht?«
    Kali Darads Schopf fächerte überrascht auf. Sie hatte mit allem gerechnet. Mit Beleidigungen, Gebettel um Gnade, oder gar Vorwürfen. Aber nicht damit. Verwirrt sah sie zuerst auf das Pferd herab, dann zurück zu dem leeren, blutverschmierten Kutschbock. Und während sie das Schlachtfeld, welches sie geschaffen hatte, so betrachtete, fing sie plötzlich an zu lachen.
    Der Mann ließ sie einfach gewähren. Genau genommen lauschte er vielmehr ihrem Lachen. Einem befremdlichen Lachen, so klar und melodisch, dass es so überhaupt nicht zu diesem blutverschmierten Monster passen wollte. Er glaubte, dieses Wechseln zwischen tiefen und hohen Tönen - ab und an unterbrochen von hellen Gackerlauten – schon einmal gehört zu haben. Doch damals waren diese wunderlichen und trotzdem schönen Geräusche von einem bunten Vogel gekommen. Wunderschön anzusehen, wie er hoch droben in seinem Baum gesessen, und sein Balzlied gesungen hatte.
    Vorsichtig drückte er seinem Pferd die Hacken in die Flanken und lenkte es langsam auf die nun deutlich entspannter wirkende Harpyie zu, die noch immer auf dem Kadaver der Kaltblüterstute stand. Die letzten zehn Schritt musste er zu Fuß zurücklegen, da das Tier sich strickt weigerte, auch nur einen Fingerbreit näher an seinen zerfetzten Artgenossen heranzutreten.
    Als er an ihrer Seite angekommen war, verebbte ihr Lachen langsam wieder. Einen Moment lang standen beide einfach nur schweigend da und starrten den an eine Schlachtbank erinnernden Kutschbock an. Dann wanderte Taros Golls Blick weiter, die rot verschmierte Deichsel entlang, bis zu dem toten Pferd unter Kali Darads Füßen; ihre langen Krallen steckten tief in dessen Fleisch.
    »Was für eine Sauerei«, seufzte er und kratzte sich im Nacken.
    »Ja«, gluckste sie. »Eine Sauerei.«
    »War das wirklich nötig?«, fragte er und sah mit hartem Mund zu ihr auf.
    »War nötig«, nickte sie, den Blick unverwandt auf den Kutschbock

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